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Paul-Pfinzing-Weg – der alte Kartograf

  • Samstag, 18. Juli 2020
  • 100 km + 2000 HM
  • 15 h 7 min

Planung:
Seit vielen Jahren bin ich regelmäßig in der Hersbrucker Schweiz zum wandern oder laufen unterwegs und so stolperte ich schon viele Male über die gelbe Markierung mit den zwei ineinander verschlungen P`s.
Die gesamte Strecke wird allerdings mit knapp unter 100 km angegeben, weshalb ich sie bis vor ca. 2 Jahren nicht weiter beachtete. Erst mit der Verschiebung meiner Laufstrecken hin zu den 100 Meilen in 2018 wurde die Idee wieder hervorgeholt und neu durchdacht. Eine Laufbekannte setzte in der Zwischenzeit dieses Projekt volkommen alleine schon um und die Machbarkeit war aufgezeigt.

Einzigartige Wandermarkierung

Zwei Anläufe mit zwei unterschiedlichen Teams scheiterten an den zeitlichen Gegebenheiten berufstätiger Menschen mit vielfältigen Freizeitaktivitäten.
Im zweiten Anlauf war dieses Wochenende schon fixiert, der Startpunkt Reichenschwand Bahnhof festgelegt und mindestens 3 VP’s eingeplant. Kurzfristig musste das Team aussteigen und meine liebe Mareike erklärte sich bereit, die Versorgung zu übernehmen und einen ganzen Tag mit dem Auto dort herumzufahren und mich an mehr als den drei Stellen zu bewirten (eine sehr gute Idee, wie sich im Nachgang herausstellte). Von ihr kam auch der Vorschlag, meinen guten Laufkameraden Andy (genau der vom TAR 2016 und vom Goldsteig Projekt 2019) spontan am Donnerstag zu fragen: und siehe da – er erklärte sich bereit das ganze laufend zu unterstützen.
Die Einkaufliste umfasste folgendes:
– Cola
– Wasser
– alkoholfreies Bier
– Datteln
– Salami
– Käse
– Doppelkekse
– Snickers
– gesalzene Nüsse
– kanarische Salzkartoffeln
– Salztabletten

Also alles in allem ein voller Kofferraum.

Die Versorgung war perfekt!!!

Den Track konnte ich ohne Probleme von der Seite des Fränkischen Albvereins herunterladen (die markieren ihn auch) und auf das Garmin Oregon ziehen (sollte sich gegen Ende der Strecke als sehr nützlich erweisen).
Startzeitpunkt wurde auf Sonnenaufgang 5:30 gelegt und die Zeitdauer mit 14 bis 16 Stunden geschätzt.
Dazu noch eine Liste mit Orten und deren Distanz auf der Laufstrecke für unsere Supporterin, welche sie frei auswählen kann (nur ein Ort war fest gesetzt, weil zwischen Waller und Oberhaidelbach 15 km ohne jegliche Versorgungsmöglichkeit liegen.

Los geht`s:
4 Uhr klingelt der Wecker – und der Gang zur Kaffeemaschine wird eine Existenzfrage. Andy ist seit gestern Abend schon bei uns in Schwabach und geht ebenso gemächlich, aber motiviert durch die Wohnung in Richtung des Mahlgeräusches der Maschine. Ein kleines Frühstück und zwei warme Tassen später sieht die Welt schon viel besser aus. Die überall angegebene Sonnenaufgangszeit berücksichtigt natürlich nicht, dass es schon deutlich früher beginnt hell zu werden. Kurz nach 5 fahren wir los und es sieht schon nach Morgen aus – das weckt Lebensgeister, bringt uns aber um den Lauf in den Sonnenaufgang.
Mit einer leichten Verspätung von 15 Minuten starten wir in Reichenschwand in unser privates Abenteuer.
Die ersten Kilometer Richtung Norden nach Hohenstein bei km 22 laufen auf überwiegend gut zu nutzenden Waldwegen und Wanderpfaden ohne schwierige Trails. Die Landschaft wirkt hier noch sehr nach Nutzwald, ist hübsch, aber auch nichts besonderes. So vergehen die ersten 2:45 h im Flug und wir quatschen verdammt viel. Die Markierung ist zu diesem Zeitpunkt perfekt und gibt keine Rätsel auf (ja, manchmal muss mann kurz überlegen, aber das ist für einen Wanderweg normal und kein Beinbruch). Die Temperaturen liegen noch etwas unter 20°C als wir die Ruine von Hohenstein erblicken – angenehm.

Burg Hohenstein mit seinem legendären Windbeutel Café

Nach 4 Stunden erreichen wir Artelshofen an der Pegnitz bei ca. km 30 und einige Höhenmeter später. Nun war die Strecke schon ein Stück trailiger und wilder, ohne zu überfordern oder zu viel abzuverlangen. Es wird nun stetig wärmer und die angekündigten 24°C könnten tatsächlich eintreffen – was eigentlich einen Tick zu warm wäre. Jammern hilft aber nicht.

Idylische Wege auf diesem Abschnitt

Neutras legen wir als nächsten VP fest (km 40), weil wir nun am Höhenglücksteig vorbei sehr viele Höhenmeter aufwärts zu bewältigen haben. Nun laufen wir über Wurzeln und Singletrails und genießen eine viel unberührtere Natur als zu Beginn. Nach 5:45 h schlagen wir am Auto und der Mareike auf – mit einem verletzten Stolz. Ein klein wenig habe ich im Anstieg überzogen, eine Wurzel übersehen und mich lang gemacht. Körperlich ist nichts passiert, aber ich bin vorgewarnt: ich muss mehr auf meinen Rythmus achten, da Andy aufwärts ein deutlich stärkerer Läufer ist. Die Verpflegung, die Cola, das Essen tut gut und wir, oder zu diesem Zeitpunkt vor allem ich, nehmen uns dafür die Zeit. Nun sind mehr als die Hälfte der Aufstiegsmeter schon geschafft!

Kurz vor Neutras

Schon bei km 46 in Oed treffen wir uns wieder mit Mareike, da sie hier zu Mittag essen wird und wir noch einmal die Gelegenheit haben sollen, die Flaschen aufzufüllen. Der Downhill von Deinsdorf nach Oed war nach dem vorherigen Auf ein herrliches Gefühl und ließ uns zügig laufen. Langsam merke ich die Distanz, fühle mich aber noch kraftvoll.
Über Weigendorf geht es weiter Richtung Süden zu einer kleinen Quelle, an der ich kurz einen Schluck trinke und die Capy bzw. meinen Kopf abkühle. Nun ist es warm geworden und der Schatten unter den Bäumen tut gut. Im stetigen leichten Auf und Ab (flach ist hier gar nichts) geht es vorbei an der Burgruine Lichtenegg nach Alfeld – unserem nun sehnlichst erwarteten VP bei km 61 und 8:50 h. Hier treffe ich auch auf meine Eltern, die spontan herausgefahren sind, um uns anzufeuern und zu unterstützen. Wir trinken mittlerweile so viel (nun beide), dass wir schon mehrere Einliterflaschen geleert haben (am Ende sollten es 4 Liter Cola, 2 Liter alkoholfreies Bier, unzählige Liter Wasser sein).

mit Sicherheit nicht!

Eine Stunde später bei ca. km 68 treffen wir uns wieder im sehr kleinen Ort Waller (bekannt als Skilanglauf Mekka der Nürnberger), damit wir für die nun folgenden 15 km ohne Unterstützung auskommen können – denn es gibt hier einfach keinen Ort zwischen Waller und Oberhaidelbach.
Was nun folgt, ist mit den Worten hässlich noch nett umschrieben. Endlose Kilometer zwischen Feldern auf meist breiten Schotterwegen zwischen der A6 und weiter leerer Fläche. Die Sonne brennt den Kopf frei und die Strecke ist fast flach. Ja, wir kommen schneller vorwärts, aber NEIN: Spaß sieht anders aus. Selbst der FAV hat keine Lust gehabt, diesen Abschnitt zu markieren. Bin ich über das Handheld froh, denn es geht zwar meist nur geradeaus, aber ohne Markierungen würde man sehr stark ins Zweifeln kommen. Wir beginnen von der Cola zu träumen und reden nun weniger miteinander. Ich habe das Gefühl auf diesem Abschnitt am Ende zu sein – ja der liebe Kopf muss mitspielen. Kurz vor dem Ort geht es rein in den Wald und vorbei an einem kleinen Waldspielplatz mit einer Schaukel. Die muss ich ausprobieren, als Andy um eine kurze Pause bittet.

Zähe Geschichte der Abschnitt

Der VP kommt also keinen Kilometer zu früh und die kalte Cola läuft nur so in Strömen den Rachen hinunter. Ich sitze im Kofferraum und Andy liegt auf dem Boden – ein Kack Abschnitt liegt liegt hinter uns und nur noch 17 Kilomter vor uns.

Nach 13:30 h und 90 km erreichen wir Weigendorf und haben mit dem Moritzberg den letzten Anstieg passiert. Jetzt ist das Ding im Sack. Wir füllen noch einmal die Flaschen auf und starten auf einen zum Teil sehr schön trailigen Abschnitt nach Ottensoos bei km 96. Hier wollen wir uns aber nicht mehr lange aufhalten und treten den Weitermarsch sofort an.
Reichenschwand lässt sich dann über Schotterwege schnell erreichen und bald sehen. Leider müssen wir aber noch einen Bogen an der Pegnitz entlang laufen, damit wir eine Brücke zum passieren erreichen. Es wird noch alles gelaufen, allerdings mehr in einer glatten 7er Pace. Nicht schnell und nicht dynamisch, weshalb wir von zwei älteren Damen auch gefragt werden, ob wir mit Absicht so langsam unterwegs sind. Die Kurzbeschreibung unseres heutigen Tages wirkt auf sie aber sehr unglaubwürdig.

Der Tag neigt sich dem Ende

Beim Erreichen des Bahnhofes fehlen mir allerdings noch 250 Meter auf die 100km. Was tun? So ein Bahnsteig ist lang, flach und genau richtig, um die runde Zahl voll zu machen. Nach 15h 7min bleibt die Uhr stehen und zwei glückliche Läufer sinken in die Sitze des Autos.

VG Thorsten

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