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Im Woid – über das Dach des Bayerwalds

  • Freitag, 16. Juli bis Sonntag, 19. Juli 2021

Die Vorgeschichte
Urlaub ist beantragt und die Planung für das Wochenende im Alpbachtal in Tirol (nicht weit von Kufstein entfernt) steht. Mit vier Freunden und meiner Liebsten soll es eigentlich ein wunderbares Wochenende in den Bergen werden. Die Übernachtung ist auf einer einfachen Hütte, ohne warmes Wasser, Dusche etc., welche wir für uns ganz alleine mieten konnten. Eigentlich eine geniale Sache!!!
Freitag eine etwas kleinere Runde, Samstag eine 10-Gipfel-Tour und Sonntag ein lockeres Läufchen zum Abschluss – so weit eigentlich ein geniales Trailwochenende!!!
Seid einem Jahr war ich schon nicht mehr in den Bergen und ich vermisse sie so sehr. Komme was wolle, ich will dahin…

Dumm ist nur, wenn das Wetter so gar nicht mitspielen will. Sehr starke Niederschläge und ein Unwetter plagen die Region (und weite Teile Deutschlands…) schon seit Tagen und die Aussicht für das Wochenende ist definitiv nicht besser. Erst sagt der eine Teilnehmer ab, dann am Mittwoch Abend zwei weitere. Was nun? Klar ist nur, dass Mareike und ich wegfahren werden: hoffentlich mit den anderen, zur Not aber auch alleine, um den Urlaub zu nutzen. Die Berge sind aber an diesen Tagen definitiv kein Spielplatz für uns, weshalb die Vorschläge hin und her wechseln und ich den Vorschlag auf den Tisch bringe, in den Woid zu fahren. Was stand noch zur Auswahl? Dolomiten – zu weit weg. Heidelberg – irgendwie nicht so spektakulär. Fränkische – fühlt sich nicht nach Urlaub an. Erstaunlicherweise bin ich der einzige von den Läufern/Läuferinen der im Woid schon trailig unterwegs war – das ist mir bis jetzt ein Rätsel. Nach einigem hin und her gibt es Zustimmung und wir können binnen 12 Stunden eine neue Planung aufstellen.
So übernimmt Mareike die Suche nach einer Unterkunft und ich die Tourenplanung. Die Wahl fällt auf Lam als „Stützpunkt“ und die Tourenplanung muss immer eine Ausstiegsmöglichkeit und Einkehrmöglichkeiten beinhalten. Ersteres, weil wir Biene mit einbinden möchten und sie nicht ganz unser Pensum mitlaufen kann (aber immer noch verdammt viel!) und zweiteres, weil es Spaß macht! Und dieses Wochenende soll ja kein Vernichtungslauf, sondern Zeit mit lieben Menschein sein. Mit ein wenig grübeln, ist das allerdings kein großes Problem. Entscheidend ist immer die Idee jeder Tour, d.h. ich überlege mir erst das Kernstück jeder Tour und ergänze es erst danach um den Zubringer. Das alles muss dann noch am Donnerstag unter Dach und Fach gebracht werden, weil wir schon am Freitag anreisen. Nicht ganz einfach und auch nicht ganz ohne Geburtsschmerzen, aber es wird und alle bis auf einen stimmen zu.
So treten wir zu fünft die Reise an:
Hansi, Biene, Flo, Mareike und ich

Homebase für das Wochenende
Solch eine Tafel lässt einen immer auf dumme Ideen kommen – und auf zwei Teile können wir es auch umsetzen

Grenzlauf zum Matterhorn des Bayerischen Waldes
Freitag muss die Tour etwas kürzer sein, weil wir, Mareike und ich, erst gegen 8:30 Flo mit unserem Auto in Schwabach einsammeln und losfahren. Vor Ort in Lam gehen Flo und ich, noch bevor wir einchecken konnten, was die liebe Mareike später für uns erledigt, auf die Strecke. Ärgerlich ist nur, dass mein Paar Leki Stöcke (und zwar die richtig teuren) kaputt aus dem Beutel kommen: die Schnur in den faltbaren Stöcken ist gerissen. Eigentlich darf das nicht sein. So nehme ich das zweite Paar, welches ich für Mareike mitgenommen habe und mich schon beim TAR, MIUT und in Istrien begleitet hat. Nicht gut, aber leider nicht zu ändern.

Die Stimmung: Genial


Die Sonne lacht und alles fühlt sich warm und freundlich an. Kernstück ist heute der Grenzsteig zwischen Deutschland und Tschechien, dem Zwercheck und dem Großen Osser. Über Lohberg arbeiten wir uns zügig zum Steig auf den Zwercheck vor. Bis dahin sind es einfache Waldwege durch eine grüne Landschaft, die immer wieder von kleinen Dorfquerungen unterbrochen werden. Zur Eingewöhnung definitiv nicht verkehrt, weil die Strecke keine besonderen Ansprüche an uns stellt. Wir beide entspannen uns von den vergangen stressigen Tagen (die Planung, die Kommunikation, unsere Jobs – einige Punkte liefen nicht rund und kosteten Energie und manchmal auch Nerven) und beginnen die gemeinsame Zeit zu genießen. Eine Podcast Folge muss hier definitiv aufgenommen werden – dumm ist nur, dass wir vergessen die Flaschen rechtzeitig wieder aufzufüllen. So hängt Flo irgendwann im Aufstieg an einer winzigsten Quelle fest und versucht die Softflask wieder voll zu kriegen – es klappt nicht so recht und so wirklich toll sieht das Wasser nicht aus, was wäre aber die Alternative?

Wassser muss her – und die Fauna schaut zu
Scheiben-Zwercheck Steig

Der Aufstieg von der Scheiben über den Wurzelweg hoch zum Zwercheck läuft für mich leichter und entspannter als erwartet: wenn nur Flo nicht immer so viel stärker im Uphill wäre…
Immerhin kenne ich diesen Abschnitt vom UTLW – dem Ultra Trail Lamer Winkel – einer meiner absolut liebsten Trailveranstaltungen mit einer fordernden, aber nie überfordenen Strecke und einer wirklich gelungenen Orga (schade, dass es dieses Jahr nicht mit dem Startplatz geklappt hat).

Der Grenzsteig vom Zwercheck aus
Einfach wäre langweilig

Und dann stehen wir oben:
der völlig verblockte Steig breitet sich direkt vor uns aus und zu beiden Seiten reichen die Blicke weit in die Täler. Der weiße Fels leuchtet und wir haben die Strecke für uns. Knapp 7 km legen wir in 65 min zurück – und wir haben uns wirklich Mühe gegeben! Im ganz leichten Auf und Ab führt der alte Grenzverlauf an den Grenzmarkierungen entlang und zeigt uns eine oftmals im Jahr unwirtliche Landschaft, die trotz dieser äußeren Bedingungen einfach nur bezaubert. Wir laufen, gehen, laufen, gehen und wandern die letzten Höhenmeter hinauf zum Gipfelkreuz des Großen Ossers. Von der nur leicht unter uns in der Sonne liegenden Osser Schutzhütte winkt Mareike hinauf. Sie ist vom Wanderparkplatz Osser-Sattel aufgestiegen und sitzt schon seit einer guten Stunde in der Sonne und genießt die Ruhe und das Leben.
Wie lange sitzen wir auf der Terasse, trinken Weizen und Schnaps? Eine Stunde oder zwei? Es ist alles egal, das Leben ist in diesem Moment so schön und leicht. Wir lachen mit einer Wandergruppe aus Sachsen, die wir im Anstieg kurz vor dem Osser eingeholt haben und uns problemlos vorbeigelassen haben, damit wir ihnen auf der Hütte schon einmal das Bier bestellen können. Ach der liebe Flo kommt immer so leicht mit anderen Menschen ins Gespräch. Manchmal ist dies ein wahrer Segen!

Das Leben kann so wunderbar sein
Mareike am Abstieg vom Großen Osser
Der Große Osser vorne und der Kleine Osser im Hintergrund
Auf dem Kleinen Osser
Mareike – du bist die Beste


Wir laufen rüber und hinauf zum Kleinen Osser und seinem Kreuz: irgendwie fühlt sich der Kleine mehr nach einem richtigen Berg an, als der Große!
Über die Osserwiese gehen wir in den sehr langen Downhill, der bis nach Lam hineinführt, und hier lassen wir es nun regelgrecht krachen. Wir rennen, wie von der Tarantel gestochen, abwärts, springen über Steine, lachen, singen, rufen und treiben die verdutzten Wanderer an den Wegesrand (freundlich und mit einem Lächeln – niemals mit Druck oder ohne den nötigen Respekt). Das für mich unglaubliche: ich laufe hier den Flo kaputt und er kommt nicht wirklich nach. Bei der kleinen Kirche Maria Hilf, kurz oberhalb von Lam bleiben wir kurz stehen, um durchzuschnaufen. Und siehe da!!! Biene und Hansi spazieren den Hang hinauf. Sie konnten leider nicht früher in den Woid kommen und mitlaufen, wollen sich aber nun die Füße vertreten. Die Umarmungen (ja, wir schwitzen und stinken) sind so herzlich und tuen einfach nur gut.

Bei Maria Hilf


Nun pflücken wir ein paar Blumen, um sie meiner Mareike mitzubringen, die kurz vor uns am Hotel angekommen ist. Um die Wartezeit ein wenig zu überbrücken und die letzten warmen Sonnenstrahlen zu genießen, holen wir uns im Hotel (ungeduscht und dreckig 😉 zwei Weizengläser und die nötige Füllung und setzen uns vor der Unterkunft an den Marktplatz und atmen befreit durch. Flo ist mit dem Ausweichziel versöhnt und ich weiß wieder, warum ich den Wald so liebe.

Abendausklang

8-Tausender Tour
Jim lerne ich am Samstag Morgen kennen. Er ist ein eigentlich ganz netter Kater, der mich spontan besuchen wollte. Leider kann ich mich nicht richtig um ihn kümmern und muss ihn heute in das absolute Sauwetter schicken. Sorry!

Auf, auf geht`s


Mareike fährt Biene zum Eck, damit sie später einsteigen kann, um das ganze Highlight des Tage, die Traverse Eck-Großer Arber mit uns zulaufen. Ich habe mir auch ein paar Abkürzungen überlegt, damit sie im Zweifelsfall abbrechen kann (oder bei schlechtem Wetter wir), aber bis zum kleinen Arbersee unterhalb des Gipfels könnte es ja klappen…
Soll ich zum Wetter noch etwas sagen? Regen, Regenpause, Regen, Wind, Wind auf hochgelegenen Freiflächen, Nebel und eine niedrigere Temperatur in der Höhe.

Hoch zum Eck
Mareikes Versorgung ist einfach grandios!!!


Wie es sich anfühlt? Besser als es sich anhört, aber es ist trotzdem mental eine harte Kiste. Man kann dem Matsch ausweichen oder mitten durch laufen (ich bevorzuge letzteres), man kann über die Wurzeln springen und nicht darauf, nasse Steine gehen sogar noch erstaunlich gut, aber ich kann mich beim besten Willen nicht entscheiden, ob ich unter der Regenjacke schwitzen soll oder lieber im völlig nassen Shirt frieren muss (ich sage jetzt lieber nicht, dass Biene im Sport-Bra gelaufen ist, weil ihr warm war, das Hansi nur ein Shirt anhatte, weil Regenjacken überbewertet werden – ich bin also nicht der Verrückte in der Truppe 😉 Die Wanderer schauen uns teilweise entsetzt an, weil unsere Bekleidung so gar nicht zu ihrer passt und sie sich nicht vorstellen können, dass Geschwindigkeit und Intensität hier der entscheidende Faktor sind. Zur Sicherheit haben wir Rettungsdecken und warme Jacken dabei: braucht man eigentlich nie, aber falls doch, dann ist man verdammt froh!

keine Angst Hansi – dreckig werden wir alle


Der Weg über die Gipfel zum König des Bayerwaldes ist eigentlich eine Traumtour durch eine wunderbare Landschaft. Sehr fordernd, weil wir immer wieder etwas absteigen müssen, um dann nur wieder noch mehr Meter hinauf zu steigen – und das ganze im sehr unebenen und fordernden Gelände. Hier hinten im Wald protzen die Strecken nicht mit unglaublich vielen Höhenmetern oder Höhenangaben, kosten aber mindestens genau so viel Kraft, wie die Wanderwege in den Alpen (oft sind die Alpen sogar einfacher zu laufen…)

Der Ödriegel
Bohlenweg über ein sumpfiges Stück
Am Schwarzecker Kreuz


Die Chamer Hütte unterhalb des kleinen Arbers bietet einen kurzen Trinkstop im Freien und die Feststellung, dass wir eine Stunde länger benötigt haben, als ich gehofft habe. Was nun? Hoch auf den Großen Arber geht es sehr gut und in der Eisensteiner Hütte auf der Gipfelhochfläche können wir einkehren und uns stärken. Was nun? Zum kleinen Arbersee wollen alle weiter laufen, weil es das zweite Highlight des Tages ist, aber danach sind es mehr Füllkilometer, als wirklich tolle Kilometer und wir sind schon spät dran. Wir beschließen den Laufabbruch am See und die Rückfahrt auf zwei Teile (alle passen nicht in unseren Micra).

Abwärts zum Eisensteiner Haus
… und die Planung überdenken
… ohne die Stimmung zu verlieren


Welchen der beiden Seen darf man nicht mit dem Auto anfahren? Den großen oder den kleinen Arbersee? Die Frage beantworten wir zu unseren Gunsten…
Der breite Schotterweg im Downhill ist verdammt schnell laufbar und eine wahre Wohltat nach den vielen langsamen Kilometern zuvor. Ich mach den Oberkörper frei (es wird einige Hundert Höhenmeter tiefer schlagartig wärmer und vorallem extrem schwül) und renne so alleine (Flo ist schon länger mit mehr Speed unterwegs) an zweiter Stelle abwärts. Runter vom Schotterweg, rauf auf den wurzeligen Trail und vorbei an einer ganzen Truppe Wanderer – und wieder komische Blicke. Rum um den See und ran an die Hütte: und nun zur Info – der kleine Arbersee darf nicht angefahren werden. Etwas müssen Flo und ich auf die anderen warten (da sind wir selbst schuld), mit Mareike telefonieren und den Treffpunkt auf den Wanderparkplatz Ebsäge legen. Noch ein wenig die steile Asphaltstraße abwärts prügeln und dann bekommen die Muskeln ihren verdienten Feierabend.

Der Downhill ruft
Am kleinen Arbersee
Ein Prosit der Gemütlichkeit


Unser riesen Dank gilt auch Christian Bley-Unger, der am Samstag in aller Früh eine Stunde angereist ist, nur um mit uns den heutigen Tag verbringen zu können. Es war eine geniale Zeit mit dir!!!

Der gute Christian

Räuber, Felsen und Wälder
Der kürzeste und leichteste Tag. Hansi, Flo und ich laufen in Lam auf einfachen Wegen los und wählen den leichten Aufstieg zum Eck. Biene stellt das zweite Auto am Ziel in Bad Kötzting ab und lässt sich von Mareike wieder zum Eck fahren. Das Wetter ist Morgens nur minimal besser als gestern, aber die Aussichten sind nicht schlecht…

Der Weg ist klar
Der Weg ist klar…
…auch in den Rauchröhren


Der Aufstieg zum Großen Riedelstein (dem höchstetn Punkt des Tages) ist steil, aber unkompliziert, weshalb wir praktisch alle Höhenmeter am Stück und ohne Schwierigkeiten zurücklegen können: so hatte ich das bei der Planung erhofft, aber sicher ist man immer erst, wenn man wieder vor Ort ist und Vorstellung mit der Wirklichkeit abgleichen kann. Warum hier hoch?
Über das nun folgende Kaitersgebirge schlängelt sich ein wunderbarer Trail, der im Laufe des Tages auch herrliche Fernsicht bietet!

Auf dem Großen Riedelstein
Hier schlängelt sich der Weg durch die Rauchröhren hindurch
Auf den Rauchröhren


Heute, am Sonntag, sind deutlich mehr Wanderer unterwegs und wir müssen einige Male überholen und fangen uns wegen den kurzen Hosen und Shirts wieder seltsame Blicke ein – egal. Die Rauchröhren, einer wunderbaren Felsformation auf dem Höhenzug, umgehen wir nicht, wie die meisten, sondern klettern und kraxeln mitten durch, um uns oben auf die Steinplatten setzen und leben zu können: es klart auf und die Luft ist herrlich. Über Stock und Stein windet sich der Weg weiter zur Kötztinger Hütte mit seiner schönen, sonnigen Terasse und seinem Weizen und Brotzeitteller. Zu lachen und reden gibt es sooooo viel.

Auch euch Beiden vielen lieben Dank für das schöne Wochenende!!!
und dir lieber Flo ein herzliches vergelts Gott


Nun fassen wir den Plan, dass Flo/Thorsten den Downhill so schnell sie wollen zurücklegen und Hansi/Biene ihr Tempo wählen. Das geschieht ohne Vorwürfe und Erwartungen und ist der Grund, warum ich die drei so liebe – einfach herrlich unkompliziert.
Feuer frei heißt es nun: erst steinig, dann wurzelig, dann asphaltiert. Das Tempo fällt auf einen vierer Schnitt und wir schlagen im wirklich vollen Kurpark von Bad Kötzting bei Mareike auf.
Ein geniales Wochenende geht zu Ende!!!

Schön war die Zeit

Euer Thorsten

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