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FS Trailissimo Route 66 – schwül, lang, steil und wunderschön

  • Samstag, 5. Juni 2021
  • 69 km
  • 2400 HM

Vorab
Manchmal läuft es anders, als man denkt… Eigentlich ging die Idee und der Termin von einem Lauffreund von mir aus. Aus privaten Gründen konnte er den Lauf doch nicht mit mir umsetzen und so fragte ich meinen langjährigen Freund und Mitstreiter auf den langen Kanten, den guten Andy, ob er Lust und Zeit hätte, mit mir die vom fränkischen Trailverein FS Trailissimo entworfene Strecke zu bestreiten. Den guten Andy kennen manche von euch bestimmt noch vom Paul-Pfinzing-Weg oder dem TAR (und noch einigen weiteren Läufen).
Spontan gefragt, ein paar Infos geschickt und schnell eine Bestätigung erhalten. Unkompliziert!
Mareike wollte uns auch wieder unterstützen und an ein oder zwei Positionen mit Getränken und Essen auf uns warten – perfekt. Cola, Wasser, alfoholfreies Bier, Salami und die legendären kanarischen Salzkartoffeln!!!
Ich habe wieder die von mir aus dem Wanderbereich bekannte Berechnungsmethode der Leistungskilometer angewendet und kam auf gut 10h Dauer bei einer im Flachen im Durschnitt angenommen Geschwindigkeit von 7 min/km bei 67km und 2000HM – ein Fehler, wie sich herausstellen sollte…

Schwierig waren manche Abschnitte – aber auch unglaublich schön

Tag X
8 Uhr morgens geht es am Bahnohfsparkplatz in Muggendorf los. Wir entschließen uns die Route in der vom Trailverein angedachten Richtung, also gegen den Uhrzeigersinn, zu laufen. Sehr schnell kommen wir in den Aufstieg zur Burg Gaillenreuth. Die Wege sind bisher breit und leicht zu laufen.

Burg Gaillenreuth

Ab da schlängelt sich der Weg über schöne Singletrails und Stufen hoch zum Schloßberg. Vom angekündigten Unwetter ist noch nichts zu sehen, aber die Luft wird schon immer drückender und schwüler. Ich denke mir nichts dabei, bin frohen Mutes und laufe kontrolliert weiter. Für Andy mit seinem Plus an Laufkilometern, Höhenmetern und seinen vielen Skitourenkilometern ist die Nummer einfacher als für mich, aber zum jetzigen Zeitpunkg ist alles ganz smooth.

Nach 12 Kilometern wieder an der Wiesent

Gößweinstein und seine Burg erreichen wir über den Buttenweg; einem mit Stufen versehenen Weg, vorbei an faszinierenden Felsformationen sozusagen von hinten, von dier Wiesent aus. Steil und schön oder anders gesagt: Jezt wird es steil und steil ist geil!

Aufwärts geht es
Burg Gößweinstein

In einer kleinen Schleife laufen wir durch den Ort und vorbei an der beeindruckenden Basilika und hoch zum Kreuzberg auf der anderen Seite des Ortes. Die Zeit muss sein und der Ausblick muss in aller Ruhe bewundert werden. Ja, wir wollen zügig durchkommen, aber es ist unser Lauf, unser freier Tag und der soll uns Freude bereiten.

Basilika Gößweinstein – ein Wallfahrtsort
Vom Kreuzberg
Auf dem Kreuzberg

In einigen Schleifen, Stufen und Eindrücken verlassen wir den Ort und laufen stetig und gut weiter zum Aussichtspunkt Luisenterasse bei ca. 19km. Hin und wieder gibt es die Markierungen der Route 66, aber im Grunde genommen benötigt man ein Navi, einen Track oder irgendeinen anderen elektronischen Helfer, um die Route problemlos bewältigen zu können. Wir hatten dies schon angenommen und so ist es kein Problem; hier sollten nur keine falschen Vorstellungen entstehen. Im Gegesantz zur klassischen 22km Runde des FS Trailissimo mit seiner genialen Markierung ist dies hier eine wenig begangene Variante, die sich für eine permanent perfekte Markierung nicht anbietet.

Luisenterasse

Mittlerweile knallt die Sonne immer öfters runter und die Luft ist furchtbar drückend geworden. Definitiv kein einfaches Wetter. Aber jammern hilft nicht, weil es nichts and der Situation ändert, also genießen wir die schönen Pfade so gut es geht und sind für die vielen schönen Orte auf der Strecke dankbar.
Engelhardsberg bietet sich mit als Kreuzungspunkt der Schleifen mit seinem Brunnen wunderbar an. Flaschen werden aufgefüllt und wir atmen kurz durch. Nun geht es auf die Schlaufe nach Muggendorf, die sogar minimal alpin anmutet, weil es auf einem Singletrail an der Kante entlang geht und sogar ein kurzes Stahlseil bietet. Adventure Light 🙂

Alpin

Kurz bevor wir die Schlaufe abschlißen, treffen wir auf den Adlerstein: eine markante Felsformation mit einem beruhigenden Blick in die Landschaft. Die kleine Rast auf der Bank ist Ehrensache. Die Zeit verinnt uns auf diesen Strecken aber unter den Fingern – egal. Die kommende Riesenbrug motiviert mich. Dort angekommen rennen wir unvernünftig schnell auf den Stufen abwärts, lachen, werden von den Wanderern komisch angeschaut und erfreuen uns das Leben – der anschließende elendig lange Aufstieg (der längste an diesem Tag) kostet Kraft, läuft aber noch vernünftig.

Riesenbrug Versturzhöhle – auf jeden Fall die unzähligen Stufen im Downhill nehmen

Der nun folgende Trail Richtung Oswaldhöhle ist steinig, manchmal steil und ein Singletrail erster Güte. Nicht schnell, technisch, nicht zu kurz, aber auch nicht zu lang: Ein Traum. Mit den Handys als Taschenlampe führt uns der Wanderweg durch die einzige Höhle in der Fränkischen Schweiz, die so ohnes weiteres passiert werden kann und trotzdem so lang ist, dass in der Mitte völlige Dunkelheit herrscht. Andy kennt sie noch nicht und ist begeistert. In der Höhle ist außerdem die Luft kühler und frischer – hier könnten wir einfach bleiben. Km 38 nördlich von Muggendorf treffen wir zum ersten Mal auf Mareike. Kein Stress nun. Einfach ein wenig lachen, reden, essen und trinken. Der Zeitplan ist hier schon abgeschossen. viel mehr Höhenmeter als gedacht gelaufen. Auf unzähligen Kilometern geht es nun auf Trails, Pfaden und praktisch nie Asphalt hinüber zum Gipfel Guckhüll. Hier muss ich das erste Mal im langen Aufstieg abreißen lassen. Die Oberschenkel beginngen zu krampfen und ich wünsche mir meine Stöcke her (beim nächsten Mal wären sie definitiv dabei!)
Bei km 45 nördlich von Streitberg, unterhalb der Binghöhle treffen wir zum zweiten und letzten Mal auf Mareike. Ich schlage auf die angedachte Zeit noch eine Stunde drauf und fülle alle Flaschen auf. Hier wird uns auch klar, dass die 2000 HM von Komoot nicht zu halten sind. Wie viele werden es werden? ich rechne nur mit einem leichten Aufschlag…
Bei der Binghöhle steht ein touristischer vorbei über den der Wanderweg direkt führt. Der Betreiber stellt sich vor, dass hier auf einem Stück von 30 Metern eine Maske getragen wird. Wir sind Wanderer/Trailläufer und keine Höhlentouristen und so laufen wir einfach unter den kritschen Blicken der Touristen drüber. Wer denkt sich so etwas aus? Auf jeden Fall kein Praktiker.
Die Wege werden zäh und ich merke, wie mir die Kraft ausgeht. Irgendwann erreichen wir den Hummelstein. Eine Hochfläche mit einem unverwachsenen, steil abfallenden Ausblick. Immer wieder donnert es in der Ferne, aber noch fällt kein Regen. Die Hochfläche hat ihre eigene faszinierende Vegetation und nichts mit den umliegenden Wäldern gemein.

Vom Hummelstein hinab

Im langen Downhill auf einfachen Wegen geht es hinab nach Gasseldorf, hindurch und dann lange Zeit flach nach Westen Richtung Ebermannstadt. Unspektakulär, aber für uns eine Abwechslung, um Meter zu machen und durchzuschnaufen. Ich laufe nicht mehr als einen 7er Schnitt.
Der Aufstieg Richtung Friedwald folgt auf einem steilen Büßerweg. Ich kämpfe, bleibe nicht stehen, pfeife aber aus dem letzten Loch. Die Steine und Bilder mit ihren Inschriften über die Kreuzigung Jesu wecken bei mir das Gefühl ähnlichen Leidens. Nicht nachgeben, einfach nur weiter aufwärts. Ich beginne die Kilomter hinunter zu zählen, während wir auf einer weiteren Hochfläche wenigsten viele Kilometer flach laufen können: bis kurz vor der Ruine Neideck in uns die Gewissheit durchbricht, dass die angedachten 67km nicht stimmen. Die Strecke ist länger und wir reißen die 2000 HM deutlich. Danke Komoot. Wir könnten abkürzen – aber kurz vor dem Schluss die Ausfahrt nutzen? Ich würde mich daheim ärgern, wäre entäuscht und hätte das Gefühl ohne Not kapituliert zu haben. Also müssen wir nun jeden Downhill gehen, weil die Schmerzen in den Oberschenkeln brutal werden. Selbst den wunderschönen Abstieg nach Muggendorf können wir/ich nicht mehr laufen. Nun regnet es – aber so spät und ohne Konsequenz, dass ich Danke nach obe sagen möchte.
Nach fast 12 Stunden erreichen wir den Ausgangspunkt des langen Tages. Während wir im Auto unser gekühltes Jever Fun trinken, dem Regen auf der Scheibe zuschauen, ein wenig Smalltalk betreiben, breitet sich bei uns beiden ein Gefühl von Zufriedenheit aus. So kann ein zufriedenstellender Tag aussehen.

Euer Thorsten

Danke