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JUNUT 10.3 – Regen, Matsch und mein Kopf

  • Freitag bis Samstag, 14. – 15. April 2023
  • 138,5 km + 4700 HM
  • 27 Stunden

Was soll ich dazu sagen? DNF – und das auch noch, weil ich einfach nicht mehr wollte…

Aber einmal von Anfang an in Ruhe.
Die Jahre 2016 bis 2019 standen ganz im Zeichen des immer höher und weiter und es klappte auch gut. Ich hatte Spaß, kam herum, sah etwas von der Welt und merkte, wie ich mit den Herausforderungen wuchs und freute mich jedes Mal auf die nächste Challenge. 2018 stand mit den 100 Meilen von Istrien mein längster Non-Stopp-Lauf an und ich konnte ihn mit viel Begeisterung und einiges an Kampf auch bewältigen.
Einmal wollte ich aber über die längste traditionelle Distanz hinaus laufen, einmal über die 100 Meilen kommen und damit das Tor zu den Extremläufen aufstoßen. Für 2021 war ich dann beim TransGranCanaria für den 360° Lauf gemeldet, einem „Wettkampf“ über 200km über 5 Tage in fast völliger Autonomie auf abenteuerlichen Pfaden. Dafür hatte ich gebrannt, das wollte ich – und der Lauf hat auch stattgefunden. Nur ohne mich, nur ohne Läufer aus Bayern. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern hätte ich ohne die Möglichkeit sich freitesten zu können, sofort in Quarantäne gemusst. Dies war beruflich nicht möglich und so zerschlug sich mein Wunsch. 2022 war ich dann zum ersten Mal beim JUNUT gestartet, der aufgrund eines schweren Unwetters richtigerweise bei knapp 80km vom Veranstalter abgebrochen wurde.
Nun? 2023 bin ich wieder beim JUNUT am Start – aber nicht mehr der Läufer von 2021 oder gar 2018. Ich liebe das Laufen vermutlich noch mehr als früher. Ich liebe immer stärker die Läufe mit einer gewissen Autonomie. Aber was ich nicht mehr Liebe ist die Qual ohne Freude, die reine Anstrengung um der Anstrengung Willen. Ich bin an den Start gegangen, weil es eine toll organisierte Veranstaltung vom lieben Gerhard Börner und seiner erstklassigen Frau Margot ist. Eine Vielzahl (meistens älterer) sympathischer Mitstreiter und Mistreiterinnen lassen sich hier treffen und einige Besonderheiten, wie die nächtliche Bootsfahrt durch die Feuerwehr in Matting über die Donau, machen den Lauf einzigartig.

Was ist nun passiert?
Körperlich: Ich bin seit Corona nicht mehr so schnell wie 2020. Die Ausdauer ist da, die Erfahrung sogar größer, aber das Tempo ist niedriger. Dies war es aber gar nicht. Ja, ich hätte mit dem letzten Zielschluss in Dietfurt zu kämpfen gehabt, mir war ständig kalt, bzw. der Wechsel passend-kalt halt geschlaucht, aber der Körper hat funktioniert. Ich konnte selbst bei km 140 noch im Flachen traben und fühlte mich ganz brauchbar, auch wenn das Tempo sehr mau war. Es hätte vermutlich für das Finish gereicht.
Mental: War nie mein Problem. Präteritum. Es ist an diesem Wochenende ein Problem geworden. Freitag alles grau in grau. Die ersten drei VP´s logischerweise sehr gut besucht. Die erste Nacht in der ich schon müde war, zu lange in Matting verbracht hatte, weil ich nicht alleine laufen wollte und auf die Kollegen wartete. Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt bei Regen in völliger Dunkelheit in einem Wald, der immer gleich aussah. Grau und etwas weniger Regen nach Sonnenaufgang. Dazu kam ab km 107 Matsch und noch mehr Matsch. Kilometerlanger Matsch. Immer und immer wieder. Das Alleinsein nach km 107 (mein Mitstreiter wollte sich kurz hinlegen, ist aber anscheinend gar nicht mehr aufgestanden, um weiterzulaufen) war dann sogar noch etwas beruhigendes, weil ich meinen eigenen Rhythmus finden konnte und wieder schneller als die Stunden zuvor war.
Und dann wollte ich nicht mehr. Ich hatte keinen Bock mehr. Keine Lust mehr weitere 25 Stunden bei unschönen Bedingungen diese körperlichen Strapazen mitzumachen, nur um zu Finishen und weit weg von meinen Liebsten zu sein.

Versteht mich bitte nicht falsch. Dem Orga-Team ist rein gar nichts anzukreiden. Für mich war die Bewegung in dieser Landschaft unter diesen Bedingungen zu diesem Zeitpunkt nur rein gar nicht erstrebenswert. Nur noch kämpfen und dazustehen und sagen zu können: ich habe es geschafft? Nein, das war mir zu wenig. Ist mir mittlerweile zu wenig. Es war mein Fehler, ich spürte vor dem Start schon, dass mir für dieses Event das letzte Quäntchen Begeisterung fehlt, welches nötig ist, um die unangenehmen Seiten zu tolerieren. Ja, ich bin weit gekommen, weiter als viele meiner Freunde je laufen würden und trotzdem unter dem selbst gesteckten Ziel geblieben.

Auto- und Fußgängerbrücke über die Donau zwischen Kehlheim und Matting
Wohin werden mich die Füße nun tragen?

Ausblick

Das Kapitel Non-Stopp-Lauf über 100 Meilen wird vermutlich zu den Akten gelegt. 2021 wäre das richtige Jahr gewesen, es sollte aber nicht sein. Ich will nicht ausschließen, dass mich der TGC 360° irgendwann einmal sieht, wenn es zeitlich und finanziell passt, aber ich möchte aktuell nicht ein Fiasko mit gewaltigen Projekten überdecken. Der Schwerpunkt wird auf die Läufe unter 100km gelegt. 1 Tag + 1 Nacht (oder halbe Nacht) liegt mir, fühle ich mich wohl. Mehr muss aktuell nicht sein, auch wenn es sich vielleicht wie ein Rückschritt anhört. Ich möchte auf den „kürzeren“ Ultras wieder etwas schneller werden, um mit meiner Erfahrung dann eine gute Zeit vor Ort haben zu können. Es steht im Mai der UTLW an und im Juni mit dem lieben Andy eine zweitägiger Streifzug durch den Woid mit Übernachtung auf dem Falkenstein Schutzhaus. Das wird mir gut tun.
Der TAR im September ist ein Brocken, der dann meinen Kopf fordert, aber zum Glück ein Etappenlauf ist. Auf den Oktober mit der Parenzana in Istrien freue ich mich sogar schon sehr. Das muss für dieses Jahr reichen. Was 2024 kommt, wird die Zeit dann zeigen.

Euer Thorsten