- Freitag, 5. April 2024
- 168 km + 6500 HM
- 38 h 42 min
It’s done! Lange liegt der erste und bisher einzige 100 Meiler zurück: 2018 als Abschluss der „wilden“ Jahre zwischen 2015 und 2018, in denen ich eine neue Freude am Laufen, am freien Laufen ohne Druck in der Natur (wieder-)entdeckt habe, in denen ich das Gefühl hatte, dass es immer länger, wilder und spektakulärer geht. Jahre, in denen nicht ich, sondern wir, meine (Ex-)Frau und ich, ins Ausland gefahren sind, um dort Sport und Urlaub zu verbinden und neue Welten zu entdecken. Jahre, in denen ich das Gefühl hatte, dass mein Körper keine Grenzen kennt, die ich nicht überwinden kann.
2021 dann hier in Istrien bei den 68 km die Aufgabe in Livade, weil ich nicht mehr der Läufer, der Sportler, der Mensch von früher war.
Und nun? Zurück an alter Stätte (2016, 2018, 2021) glückte mir der Streich – wobei es weniger Glück war, sondern mehr Wille und die Erfahrung und Gelassenheit im Umgang mit Problemen.
Ruhe und Kontrolle beim Start, passende Verpflegung, Vernunft und Rhythmus auf den technischen Passagen halfen. Die Überhitzung des Körpers am Samstag konnte gelöst werden, der Schmerz in den von jeweils einer über die ganze Fußsohle ziehenden Blase durch leichte Anpassungen des Laufstils und der Hilfe der Stöcke im Downhill erträglich gestaltet werden. Der Lohn war, dass die letzten vier Kilometer ins Ziel wieder gelaufen werden konnten.
Aber der Reihe nach
Das Rennen
Ohne meinen guten Freund Andy, seiner Lebensgefährtin und seinen Schwiegereltern in spe wäre ich dieses Jahr nicht hier in Istrien gewesen.
Im Zuge der Scheidung wollte und konnte ich mir teure Auslandsreisen nicht einfach leisten – obwohl ich über den Lauf lange und mehrmals nachgedacht hatte, weil er den Abschluss einer langen Überlegung, einer langen Reise darstellen könnte.
Und dann ruft Andy mich eines Tages an, erzählt mir etwas von einer Mitfahrgelegenheit und einem Bettchen in der Ferienwohnung: Ja, Ja und nochmal Ja. Ich bin dabei.
Phine auf den 68 km, Kristina und Dirk auf den 110 km und Andy und ich auf den 100 Meilen – so gingen wir an den Start. An den Start eines wunderbaren Rennens als lustige und liebenswerte Gruppe, mit der ich jederzeit wieder reisen würde.
Vom Start weg war ich vorsichtig und langsam und marschierte ohne großen Druck die Anstiege hinauf (die mir zum Glück im Lauf der Jahre immer leichter fallen). Ich sortierte mich im hinteren Feld ein und versuchte ganz alleine meinen Rhythmus, mein Renngefühl zu finden und fand es. Unklar war mir nur, wie meine Muskulatur im linken Bein funktionieren würde, nachdem diese in den letzten Wochen immer mal wieder Probleme und Schmerzen bereitet hatte (Entwarnung: außer einem kurzen Moment in der ersten Nacht auf einem langen, leicht abfallenden Stück über gut laufbare mehrere Kilometer war es überhaupt kein Thema und funktionierte wunderbar). Es ging hinein in die erste Nacht, ich wechselte rechtzeitig auf warm, die Stirnlampe war griffbereit (alles klappte dieses Mal mit der Ausrüstung wunderbar, war griffbereit, funktionierte planmäßig, war gut ausgewählt), der Anstieg zum höchsten Punkt des Rennens zum Teil sehr, sehr steil, ich schnaufte, behielt aber das gute Gefühl bei. Ich lief, was zu laufen war, wechselte am Morgen etwas zu spät auf luftigere Klamotten, blieb locker in den Beinen und merkte Vormittags, wie praktisch alle anderen Starter auch den sehr großen Temperaturunterschied zwischen der Nacht und dem Sonnenschein tagsüber: der Körper überhitzte stetig immer mehr.
Die einzige Lösung war, in jeden Bach, den ich irgendwo finden konnte, zu steigen und mich komplett abzukühlen – und es funktionierte. Der Preis dafür? Nasse Füße und am Ende pro Fuß eine Blase über die ganze Fußsohle, die schon das Gehen sehr schmerzhaft machten und das Laufen auf den Steinen fast unmöglich. Im Nachgang sifften die Blasen, eiterten, mussten bandagiert werden und bereiteten noch tagelang Schmerzen in den Schuhen und beim Schlafen. Aber das war der Preis für das Finish und die einzige Chance die Überhitzung des Körpers zu verhindern – und ich war bereit ihn zu bezahlen.
Der Samstag verstrich, ich arbeitete mich die Hügel hinauf und hinunter, die Schmerzen tauchten auf, die Kraft war da und ich ging in die zweite Nacht hinein. Ich lernte einen netten Polen kennen, quatschte viel mit ihm und wurde in Motovun von ihm auf ein Bier eingeladen, dass wir entspannt im Sitzen in einem Restaurant einnahmen.
Die Nacht lief weiter, nur ich lief nicht mehr oder nicht mehr viel. Wandern war angesagt und die Kilometer verstrichen sehr langsam. Sonntag Morgen stand ich zwischen Buje, dem letzten VP, und Umag, dem Ziel, auf meinen Stöcken gestützt da und schlief ein. Ein lieber Italiener weckte mich auf, wechselte ein paar Worte mit mir und ich halluzinierte, schwankte. Ich musste trotz aller Schmerzen in den Fußsohlen irgendwie wieder laufen, um nicht sofort am Wegesrand umzufallen und zu schlafen – es klappt. Ich erreiche Umag laufend, arbeite mich zur Promenade vor, laufe durch den sehr langen Zielkanal am Meer entlang hinein in die Altstadt auf der Halbinsel und stehe mit einem Lächeln im Ziel. Mit einem Lächeln, dass mir 2018 vor Erschöpfung nicht mehr richtig geklappt hat.
Damit kann ich zufrieden den Abschnitt der ganz langen Ultratrails im Wettkampfmodus jenseits der 100 km abschließen, den Blick in Richtung des Ultrabalatons im Mai werfen und damit auf den letzten sehr, sehr langen Ultra, den Fokus auf kürzere Wettkämpfe diesseits der 100 km legen, den Fokus auf eigene Projekte richten. Keine Aufgabe des Laufens, kein Nein zu Trails, kein Abgesang auf Ultras, aber eine Neuausrichtung, wie ich sie schon lange nicht mehr hatte. Abschließen kann ich auch den Abschnitt Istrien, den gescheiterten Lauf 2021, die schwierigen Jahre 2020 bis 2023, die gemeinsamen Urlaubs-Wettkampfreisen mit Mareike, die mich schon dreimal an diesen Ort gebracht haben. Danke für die schöne Zeit und die Möglichkeiten.
Glücklich und zufrieden geht ein Kapitel zu Ende
Euer Thorsten