- 23. und 26. Juni
Ach Ungarn – ich versteh dich nicht. So ein stolzes Land, so ein schönes Land, so ein wunderbarer Menschenschlag. Unabhängigkeit und Freiheit scheinen euch wichtig zu sein – und dann gebt ihre Stück für Stück eure Freiheit an eure Politiker ab, in der Hoffnung sie nicht an Europa abgeben zu müssen…
Ich versehe euch nicht immer…
Für mich war es ein Stück weit eine Reise in die Vergangenheit. Der erste Besuch am Balaton, in Balatonfüred fällt auf den Sommer 1990, also kurz vor der Wiedervereinigung, noch vor der Endgültigen Auflösung der Sowjetunion. Daraufhin sind wir viele Jahre im Sommer immer wieder für 2,5 Wochen dorthin gefahren. Eine schöne Kindheitserinnerung!
Was hat sich vor Ort geändert? Bestimmt einiges und wahrscheinlich manches auch nicht.
Was wir aber als Kinder dort nie gemacht hatten: Wandern
Mit einer großen Vorfreude stürzten Mareike und ich uns in diese zwei Wanderungen, weil wir keine wirkliche Vorstellungen hatten, was uns für Wege, Vegetation und sonstige Unwägbarkeiten erwarten würden. Also los!
Der Norden von Balatonfüred
Vom Parkplatz aus ging es schon nach einer kurzen Aufwärmphase auf Asphalt bei brütender Hitze steil aufwärts zum Hausberg der Stadt. Tritt für Tritt geht es über Stufen hinauf zum Gipfelkreuz und zum Blick auf Ort und See – ein Traum von Aussicht. Die Hitze hat sich anscheinend nicht geändert. Der Schweiß läuft und wir lachen Schatten ist willkommen. Wir schwenken rein in den Wald, der viel dichter und grüner ist, als ich bei dieser Trockenheit vermutet hätte. Den höchsten Punkt des Berges markiert im dichten Wald ein Aussichtsturm.
Mareike möchte sich die Mühe sparen und ich zeige ihr eine Bank, wo sie erwarten kann und sie sich auch dankbar niederlässt; zumindest bis ich rufe, sie soll sofort aufstehen! Verwunderte Blicke. Ja, hinter ist das Gebüsch von Eichenprozessionspinnern bearbeitet. Nicht der beste Platz – hätte mir auch früher auffallen können. Dann halt im Stehen warten.
Ich steige in dem engen Turm über Leitern aufwärts. Herrlich.
In der Zwischenzeit treffen zwei ältere einheimische Paare ein – und eine beginnt sich auf Deutsch mit Mareike zu unterhalten. Etwas was uns in dieser guten Woche immer und immer wieder passieren wird. Etliche Menschen sprechen lieber Deutsch als Englisch, sprechen einen einfach an, um ein wenig Small-Talk zu betreiben. Diese Offenheit vermisse ich in Deutschland schon…
Die Markierungen auf den Hauptwegen sind ausgezeichnet. Hätten wir nicht erwartet. Wir biegen nur bald davon ab und steigen über steinige Wiesen mit weißem, in der Sonne strahlendem Gestein und schmale Singletrails wieder ab. Zumindest bis der Track auf der Uhr uns am Ortsrand in eine Sackgasse führt. Merke, nicht alle Wege auf Komoot sind auch existent. Ein etwas größerer Umweg führt uns wieder zurück in einen Wald der unter Naturschutz steht. Das Blätterdach bietet einen dichten Schatten, der hoch willkommen ist. Weiter zu einem bei Einheimischen beliebten Rast- und Picknickplatz und über eine Hochfläche zurück in den Ortskern.
Es war anders als gedacht: Grüner, wilder und trotzdem mit guten Markierungen
Tihanyi-félsziget
Nach meinem vorherigen Laufausflug auf die Halbinsel Tihany war ich von diesem Stückchen Erde so angetan, dass ich Mareike auch teilhaben lassen wollte. OK, es ist wieder eine Affenhitze (selbst Nachts sinkt hier das Thermometer nicht unter 23°C, beim Einschlafen noch über 30°C)
Am Hafen, unterhalb des Altortes und des touristischen Zentrums parken wir und steigen sofort zu diesem auf. Ich kann euch versichern: das Nordufer des Balatons ist vieles, aber nicht flach!
Durchs felsige Gelände schlängelt sich der Weg durch trockene, aber noch grüne Landschaft – und erst die Grillen! Ohrenbetäubend laut. So etwas habe ich noch nirgendwo anders erlebt.
Die Markierungen sind auch dieses Mal fantastisch – nur mit den Schildern auf ungarisch können wir wenig anfangen. Zu anders ist diese Sprache, als das wir uns die Ortsnamen merken können.
Wir durchqueren einmal die Halbinsel, bevor der schwierigste und schönste Abschnitt kommt. Die Westseite ist ohne Küstenstraße angelegt und wir wandern stetig aufwärts entlang einer Steilklippe, von der man auf den westlichen Teil des Sees blicken kann. Ein Traumabschnitt! Langsam schlaucht uns zwar die Hitze schon deutlich, aber wir müssen noch einmal die Halbinsel durchqueren. Auf einem sandigen, staubtrockenen Pfad geht es durch eine Senke ohne Schatten vorbei an Weinstöcken zum gleichnamigen Ort. Hier sehen wir zum ersten Mal die West- und Osthälfte des Balatons auf einmal. Schon ein tolles Gefühl. Den Abstieg zum Auto lassen wir an den alten Wohnhöhlen der religiösen Eremiten vorbeiführen.
Zur Belohnung gibt es dann kaltes, alkoholfreies Radler und ein ordentlichen Langos mit Käse. Lecker!
Euer Thorsten