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Arberland Ultratrail – Bayerischer Wald Wetter und ein wunderbarer Tag in der Natur

  • Samstag, 01. Oktober 2022
  • 68 km + 2800 HM
  • 10 h 29 min

Willkommen zurück in meinem Wohnzimmer! Ach, hier am Rande des Freistaats fühle ich mich auf den Wegen, Pfaden und Gipfeln irgendwie zu Hause. So oft waren meine Frau und ich schon im Woid, so viele Stunden draußen in der Natur, dass ich ein Gefühl von Vertrautheit in diesem Umfeld habe.
Ich kenne die Anstiege, die Herausforderungen, habe ein Gespür für die Krafteinteilung und die Hindernisse, die sich hier in den Weg stellen können. Auf den anderen Trails dieser schönen Welt habe ich mich in der Vergangenheit unter Umständen nicht unwohl gefühlt, aber diese Vertrautheit war im Gegenzug auch nicht spürbar.
Nun bin ich nach dem gelungenen Trailmarathon in Heidelberg vor zwei Wochen hier an der Startlinie beim Hauptlauf, um anschließen noch eine Woche Urlaub mit einigen Wanderungen anzuhängen – tief durchatmen und die Luft und die Natur genießen.

Der Arberland Ultratrail hat im Laufe seines Bestehens schon einige Streckenänderungen erfahren und wurde, dem großen Trend folgend, immer etwas länger und mit mehr Höhenmeter ausgestattet. Dreimal bin ich hier gestattet und jedes mal war es mehr. Muss dies sein? Ich finde nein. Solche Distanzen leben von einem Gefühl, es gut innerhalb eines Tages zu schaffen, flüssig unterwegs zu sein und im Grunde genommen große Teile laufen zu können. Diese Punkte werden mit dieser Entwicklung Stück für Stück aufgehoben und Einsteigern in den Ultratrailsport der Zugang erschwert – und zwar ohne Not und ohne wirklich etwas zu gewinnen.
Gegen die Strecke selbst lässt sich nicht viel sagen. Sie ist eine Mischung aus anspruchsvollen Trails und gut und schnell laufbaren Kilometern auf Forststraßen. Etliche schöne Punkte nördlich von Bodenmais werden erlaufen und lassen die Zeit auf den Wegen sehr kurzweilig werden. Zugegebenermaßen wirkt die Streckenführung auf einer Karte aber sehr verwirrend, weil einige Schlaufen eingebaut sind, der Start-Ziel-Bereich unterwegs noch einmal passiert wird. VP´s doppelt angesteuert werden und unterschiedliche Distanzen mit einigen Abweichungen auf der Hauptstrecke unterwegs sind. Wenn dies stört, dem sei ein Blick auf den Ultratrail Lamer Winkel, dem UTLW, empfohlen.

Einstellige Temperaturen beim Start um 7 Uhr zum Sonnenaufgang lassen keine karibischen Gefühle aufkommen, aber der befürchtete Regen wird erst später kommen. So oder so, sind die Wege von dem langanhaltenden Regen der Vortage feucht, matschig und manchmal rutschig. Schon jetzt läuft an manchen Stellen ein kleiner Bach den Pfad hinunter.
Als später der Regen einsetzte verwandelt sich vor allem der Weg zum Kleinen Arber in ein einziges Matschbad, welches meine Beine völlig im Dreck versinken lässt. Dazu kommt ein kräftiger und eisiger Wind, der mich trotz der Regenjacke frieren lässt. Wasserdichte Handschuhe wären dann gut gewesen, denn normale schaden klatschnass mehr, als sie nützen. Der Abstieg vom Kleinen Arber war aber der einzige Abschnitt, der bei diesem Wetter wirklich sehr schwer war. Wie oft ich gerutscht bin, weiß ich nicht mehr. Hingefallen bin ich aber nur einmal. Ansonsten liefen die Downhills sehr gut, bzw. waren an diese Tag, in diesem Teilnehmerfeld meine Stärke gewesen.

Ziel war erneut in aller Ruhe durch den Tag zu gehen. Gerade auf den Flachpassagen nicht zu überziehen, um bis zum Schluss druckvoll abwärts laufen zu können und noch gleichmäßig die Uphills zu schaffen.
Ist es aufgegangen? Ja
Wäre es schneller gegangen? Ja
Wäre es auch mit einer besseren Balance von Belastung und Freude gegangen? Definitiv Nein!


Es ist der erste Ultra im Wettkampfmodus seit einigen Jahren, seit der faszinierenden Zeit 2015 bis 2018, vom ersten ULTW bis zu den 100 Miles of Istria, der wieder dieses Gleichgewicht erreicht hatte und deswegen so unglaublich schön war. Zu viel war in der Vergangenheit verkrampft und verbissen, zu sehr war die private und berufliche Situation seit 2020 mit Anspannung verbunden und hat im Laufsport einen Spiegel gefunden – da will ich nicht wieder hin.


Auf dem Gelände des Skistadions neben dem Großen Arbersee wurde das Veranstaltungsgelände platziert. Startunterlagenabholung, Duschen, Start, Ziel usw. kann dort problemlos platziert werden und niemand fühlt sich gestört. Aus Sicht der Veranstalter eine gute Idee. Den Charme des Zieleinlaufs in Bodenmais (hatte ich bei meinem ersten Start hier) hat es aber leider nicht. Dort geht es mit dem Sonnenaufgang los und gleich hinein in den ersten Anstieg und nach kurzer Zeit über den Wanderweg Goldsteig hinauf zum Großen Arber. Sehr schnell verliere ich den größten Teil der Starter, weil ich langsamer und kontrollierter aufsteige. Endlich habe ich wieder die Ruhe, andere Läufer ziehen zu lassen und mich auf meinen Rhythmus zu konzentrieren. Schon erstaunlich einsam treffe ich im großen Nebel oben ein und werde von einem Fotografen und einem Musikanten begrüßt.

Ich merke schon hier, dass die kleinen roten Fähnchen nicht immer gut zu sehen (ich bin farbenblind, wie ca. 1/3 aller Männer in Deutschland…) sind und die Markierungen mit Kreidespray sparsam verwendet wurden. Ich aktiviere den Track auf meiner Suunto, um Fehler zu vermeiden. Im Laufe des Tages werde ich einmal falsch abbiegen und von einem hilfsbereiten Mitläufer zurückgerufen. Im Gegenzug verhelfe ich zwei anderen ebenfalls auf die richtige Strecke. Mit Sicherheit sind nicht wenige verkehrt gelaufen, was aber auch dem später einsetzenden Unwetter teilweise zu verdanken ist und nicht nur dem Veranstalter anzukreiden ist. Schließlich wurde vorab auf Track und Karte verwiesen und nicht der Eindruck eines Straßenlaufs vermittelt. Irritierend ist nur, dass dieses Thema früher eben kein Thema war. Im Laufe der Zeit habe ich gelernt, mit der Navigation auf der Uhr umzugehen und bleibe deshalb entspannt.

Über die Chamer Hütte laufen wir im verblockten Gelände abwärts zum Kleinen Arbersee, der nicht mit den Autos angefahren werden darf und deshalb deutlich weniger besucht wird und mein Favorit von den beiden Seen ist. Etwas hinauf und wieder hinunter zur Talstation der Arberbahn führt uns die weitere Strecke. Hier fällt mir zum ersten Mal auf, dass mir die Downhills im technischen Gelände mittlerweile so gut gelingen, dass ich an sehr vielen Personen ohne große Mühe vorbeilaufen kann.

Über kleine Schleifen gelangen wir anschließend wieder durch das Skistadion (einschließlich einem vom Weg abgekommenen Läufer einer kürzeren Distanz der mir verkehrt entgegen kommt) mit dem zweiten VP und einem gut gelaunten Moderator, bevor wir den langen Flussabschnitt mit relativ flacher Streckenführung über die Seebachschleife zur Regenhütte vor uns haben. Hier kann ich kontrolliert laufen, versuche Körner zu sparen, genieße die liebliche Landschaft und das flowige Gelände und kann trotzdem im Feld mitschwimmen.

Die gute Stimmung der Helfer an den VP`s fällt sofort auf und ich versuche, mich so oft wie möglich dafür zu bedanken. Ihr habt den schweren Job, ich darf einfach nur spazieren gehen. Der Abschnitt nach Bodenmais und die Schleife über den Hausberg des Ortes, dem Silberberg, führt im Wechsel von An- und Abstiegen im einfachen Gelände. Die Strecke lässt sich vom technischen Schwierigkeitsgrad am ehesten so beschreiben: schwer – leicht – schwer. Das weiß leider nicht jeder und viele überziehen im Mittelteil. Am Silberberg mit dem Silberberschaubergwerk, dem Ausflugsziel von Bodenmais, laufen wir an vielen Besuchern vorbei, die anfeuern, verwundert schauen oder fasziniert sind. Zu diesem Zeitpunkt ist es schon einsam auf der Strecke (ca. 30% der Teilnehmer werden nicht finishen).


Der Weg über die Bretterschachten hinüber zu den Rieslochfällen leitet den dritten Streckenteil ein und wird komplett vom Regen und kaltem Wind eingedeckt. So ziehen die wunderwarben Wasserfälle an diesem geschützten Geotop ohne die eigentlich verdiente Aufmerksamkeit an einem vorbei. Hier wird der rutschige Untergrund schon bemerkbar und erfordert im Downhill Aufmerksamkeit. Zu diesem Zeitpunkt laufe ich alleine und sehe nur noch zeitweise jemanden. Die Kreidemarkierungen sind nicht mehr zu sehen und die Fähnchen als alleinige Markierung fast zu wenig. Ohne Track wäre ich am diesem Zeitpunkt verloren.

Über eine kilometerlange asphaltierte Forststraße geht es zurück nach Bodenmais, hinein in den Wald und hinauf Richtung Kleiner Arber. Ab diesem Zeitpunkt schließe ich mich mit einem Läufer zusammen und wir lenken uns mit Gesprächen ab und schauen aufeinander. Der Weg wird nun sehr matschig, schwer zu laufen und der Abstieg vom Kleinen Arber ist schlussendlich nicht mehr laufbar, weil der Wegezustand durch das Wetter massiv schwieriger geworden ist. Der Wind auf der Hochfläche lässt meine Hände eiskalt werden. Die Beinkraft ist da, die Laune ist gut, aber es fällt nun nicht mehr alles ganz leicht.
Der letzte VP an der Chamer Hütte leitet die letzten verblockten Downhills und den letzten steinigen Aufstieg oberhalb des Großen Arbersee ein. Am VP lasse ich den Mitstreiter stehen, weil die Finger schon sehr kalt werden. Überhole im Gelände dann schon einen Schwung Läufer und schließe zu einem neuen Mitstreiter auf. Kurz vor dem Ziel knickt er im Downhill um, weil er an mir dranbleiben möchte. Was tun? Ich bremse mich ein, pfeife auf die vielleicht 5-10 Minuten, die ich jetzt noch schneller sein könnte und wir laufen zusammen zum Großen Arbersee, zurück zum Skistadion und gemeinsam ins Ziel ein.

Ja, das Ziel. Vom Winde verweht. Fast alle Angehörigen und Helfer sind unter Vordächer geflohen, um dem Unwetter zu entkommen. Das Zielgelände wird von den Böen schon arg in Mitleidenschaft genommen und ich freue mich schon so sehr auf trockene und warme Klamotten. Als Zielandenken gibt es ein graviertes Glas als stilechtes Bayerwaldandenken – eine klasse Idee!

Euer Thorsten