- 14. Oktober 2019
- 11,9 km
- 1600 HM Abstieg
- Start: Bergstation Monte Baldo – Ziel: Malcésine
Der Tourcharakter
Von der Bergstation der Monte Baldo Seilbahn führt diese Wanderung über Almwiesen, Mischwälder und Olivenhaine über 1600 HM zum Teil sehr steil bergab. Kein einziger Meter führt aufwärts, es geht nur abwärts – das sollte nicht unterschätzt werden, weil die Beinmuskulatur permanent den Schritt abfangen muss. Bei Regen sind die Steine sehr rutschig, dafür entschädigt immer wieder der grandiose Ausblick auf den Gardasee!
Die Wanderung
Urlaub darf und muss auch einmal Entspannung sein! Deshalb wollen wir, Mareike und ich, heute ohne Aufstiegsmeter, mit Blick auf den See, nur bergab wandern. Für uns beide ein Unikum und in unserer Erwartung eigentlich eine einfache Angelegenheit. Was soll also schon schiefgehen?
Das Wetter verspricht bis zum Nachmittag Sonnenschein, warme Bedingungen und eine gute Sicht – letzteres ist laut dem Reiseführer für diese Tour entscheidend, denn viel zu oft hängt eine Wolkenformation am Massiv fest und ruiniert den bei dieser Wanderung wichtigen, wenn nicht sogar wichtigsten Punkt – den Ausblick. Geplant sind knapp 3 Stunden Gehzeit, also eine eher kurze Tour.
Die Tickets an der Talstation der Gondel sind schnell gekauft (wir waren, soweit wir es mittbekommen konnten, die Einzigen, welche ein One-Way-Ticket erstanden – da fühlt man sich schon ein wenig besonders, auch wenn dies kindisch ist) und dann heißt es Geduld haben. Etwa eine halbe Stunde warten wir, stehen in einer, sich nur langsam vorwärts schiebenden Schlange, bis wir einen Platz ergattern können. Ich werde unruhig und bin leicht genervt. Mareike versucht mich ständig mit der Schilderung ihres Besuches vor 2 Jahres zu trösten, bei dem sie etwa 1,5h anstanden. 1,5 Stunden? Da bin ich schon knapp den halben Aufstieg zu Fuß gegangen. Aber gut: Wir haben Urlaub und Zeit…
Auf gut 500HM wird an der Mittelstation in eine größere Gondel umgestiegen, welche uns zur Bergstation auf 1700 HM bringt. Dabei dreht sie sich langsam um die eigene Achse, um allen Besuchern den Berg und den See aus verschiedenen Perspektiven zu zeigen. Eine klasse Idee!!! Nur leider werden die Gondeln bis auf den allerletzten Platz vollgestopft (Rucksäcke werden zwischen die Beine geklemmt)!
Oben angekommen erwartet uns eine alpine Wiese und ein Weitblick erster Klasse. Die Bergstation auf dem Monte Baldo Massiv liegt nicht auf einem der eigentlichen Berggipfel (diese liegen im höchsten Fall noch einmal 500 Meter höher), gibt uns aber trotzdem das Gefühl ganz oben angekommen zu sein und lässt den Gardasee aufgrund der Höhe so klein und unscheinbar erscheinen. Der Abstieg kann warten: Hinüber zu den Gleitschirmfliegern zieht uns das Gefühl und wir erleben verschiedene Starts aus nächster Nähe (sie starten direkt neben dir, ohne Absperrung, Hinweise oder böse Blicke). Ein unglaubliches Schauspiel! Sie gleiten so weit über dem See, lassen sich aufwärts, abwärts, nach links, nach rechts und wieder zurück treiben, ohne dabei ersichtliche Mühe oder Angst zu haben. Frei wie ein Vogel fühlt man sich wahrscheinlich – und ich bleibe doch lieber auf dem Boden, bewege mich mit meinen eigenen Füßen vorwärts und erlebe die Natur aus der für Menschen natürlichsten Perspektive.
Nun rein in den Abstieg, schließlich sind 1600HM doch ein Wort. Von Anfang an, geht es über viele Steine steil bis sehr steil abwärts. Kein breiter Forstweg, sondern ein ordentlicher Trail bzw. Singletrail führt uns hinunter. Die baumfreie Zone lässt einen dauerhaften Blick aufs Wasser zu.
So habe ich mir das vorgestellt: Den See als Ziel und Anziehungspunkt vor uns, während wir Schritt für Schritt näher kommen.
Leider ist es steiler als erwartet! Bei regennassen Steinen möchte ich hier nicht abwärts gehen oder laufen müssen. Mareike rutscht in Zeitlupe auf einem feuchten Stein aus; glücklicherweise ohne ernste Konsequenzen. Nur ab diesem Zeitpunkt fühlt sie sich auf diesem Abschnitt unsicher – kann ich gut verstehen. Vorsichtig arbeiten wir uns Schritt für Schritt abwärts.
Nach 200 Höhenmetern erreichen wir die Baumgrenze und ich bin ganz überrascht, auf so viele Buchen und Eichen zu treffen. Nicht ganz die Vegetation, welche ich hier erwarten würde. Nur flacher wird es auch hier nicht. Die Bäume krallen sich richtig in den Hang und werden im Winter mit der zusätzlichen Schneelast bestimmt gut zu kämpfen haben.
Langsam merke ich, dass wir mehr Zeit benötigen, als ich erwartet habe. Zum Glück sind wir zeitig aufgebrochen und „verlieren“ nur den Nachmittag für andere Aktivitäten.
Nach ca. 3,5km auf 1380 Metern erreichen wir eine Wandertafel, die mich ins Grübeln bringt. Soll ich hier einen Bogen laufen, den Aussichtspunkt mitnehmen, oder den direkten Weg in den Ort einschlagen. Kurz bevor die Entscheidung zu Gunsten des längeren Wegs fällt, spricht uns ein älterer Herr auf Deutsch an: der Umweg führt noch einmal aufwärts, bevor wir dann noch mehr Höhenmeter abwärts wandern müssen – und zwar noch steiler. Sehr, sehr dankbar und ohne Gewissenbisse schlagen wir den kürzen Pfad nach Malcésine ein. Die Steine müssen ja schließlich irgendwann ein Ende haben!
Und siehe da! Bei 1300 Metern geraten wir auf einen mit Betonplatten versehenen Forstweg. Für Mareike keinen Moment zu früh, denn das Schienbein beginnt zu schmerzen. Vom Sturz? Von den Höhenmetern? Abwarten, wie es sich entwickelt. Es wird zwar nicht viel flacher, aber immerhin ist die Gefahr von Stürzen gebannt.
Der direkten Sonne ausgesetzt und deutlich tiefer gelegen als der Bergrücken steigt das sprichwörtliche Quecksilber immer weiter an und lässt mich diese Tour mehr im Frühjahr oder Herbst verorten. Flach ist es hier aber immer noch nicht, eher weniger steil. Zügig kommen wir nun vorwärts und stehen schon bei Kilometer 6 auf nur noch 1000 Meter vor einer doch sehr ungewöhnlichen Kapelle – der Il Signor… Eher ein Torbogen, aber zumindest dann ein besonderer Torbogen. Eigentlich nicht schön – nur ungewöhnlich.
Der Wald und die stärker werdenden Schmerzen meiner Frau nehmen uns nun ein. Der Weg ist deutlich einfacher zu gehen, als auf dem ersten Abschnitt, aber er bietet noch immer etliche steile (aber zumindest nicht mehr sehr steile) Passagen, die ordentlich auf die Muskulatur gehen. Mehrfach passieren wir die Seilbahn und erblicken nun deutlich die Mittelstation. Ob sie hier abbrechen möchte?
Immer öfter erblicke ich nun die Schilder von einem Lake Garda Mountain Race: sie zeigen immer nur aufwärts und nehmen oft kleine Trailpassagen abseits des Hauptweges. Sie sind auch fest angebrachte Hinweise und nicht nur Wettkampfmarkierungen. Mein Interesse ist geweckt und ich fange zu googeln an. Könnte ich dort nächstes Jahr mitlaufen? Informationen lassen sich auf die Schnelle aber nur sehr schwer finden – komisch. Meine Aufmerksamkeit richtet sich nun verstärkt auf die bald erreichte Mittelstation bei etwa 570 Metern (auf wie vielen Metern liegt Malcésine? 150? 100? Ich weiß es gerade nicht…) Wollen wir mit der Gondel den letzten Abschnitt zurücklegen? Bisher war die Wanderung so schön, dass niemand von uns das Gefühl haben muss, etwas zu verpassen. Sie lehnt ab… Stur ist sie! Die obersten Häuser des Ortes sind erreicht und wir laufen zwischen Olivenbäumen auf Terrassenfeldern, Wochenendhäusern der Einheimischen und ganz wenigen Ferienhäusern immer weiter abwärts.
Die letzten gut 100 Höhenmeter verlaufen nun auf einem alten Eselpfad über glatt geriebene Steine rein in den Ort – und zwar noch einmal sehr steil. Jetzt reicht es ihr; sie will nur noch an der Talstation ankommen.
Wir bereuen keinen Kilometer der Wanderung – und sind Beide froh, sie bewältigt zu haben.
Euer Thorsten
Weitere Fotos findet ihr auf meinem Nikon Image Space Konto
[…] laut aussprechen, aber letztes Jahr, mit 35 Jahren, stand ich zum ersten Mal überhaupt auf dem Monte Baldo (mit der Gondel rauf und zu Fuß wieder herunter), war von der Landschaft, dem Ausblick auf den […]