- Sonntag, 5. Juni 2022
- 33,6 km + 280 HM
- 3 h 36 min
Es sind ungewöhnliche Zeiten in Deutschland. So viel Bewegung und Flexibilität, wie es seit 2020 der Fall ist, gab es in unserem Land schon Lange nicht mehr.
Das 9€ Ticket gehört definitiv auch dazu! Um den Menschen die Öffentlichen näher zu bringen, lässt man sie praktisch umsonst fahren. In Deutschland! Wo man immer gerne glaubt, dass Person XYZ für sein Geld nicht hart genug arbeitet und es nicht verdient. Verrückt…
Was stellt man nun mit einem solchen Ticket an? Man könnte zum Beispiel an einem freien Tag einfach in die S-Bahn steigen, zur Endhaltestelle fahren und wieder nach Hause laufen. Simpel und trotzdem einmal etwas anderes. Möglich wäre auch daheim zu zu starten und zum Endbahnhof zu laufen; das hätte den Vorteil, dass die neueren Streckenabschnitte am Schluss gelegen sind, d.h. es für den Kopf einfacher wäre, aber dafür hätte ich wahrscheinlich einen Aufenthalt am Bahnhof – durchgeschwitzt und erschöpft. Dann lieber andersherum.
Die knapp 2 km zum Bahnhof Schwabach-Limbach laufe ich in Begleitung meiner Mareike, welche mit dem Rad weiter fährt. Pünktlich und ohne Überfüllung steige ich ein, bekomme problemlos einen Sitzplatz, lege mir einen Fotografie Podcast auf die Ohren und entspanne die nächsten 50 Minuten. Überfüllt ist die S-Bahn zu keinem Zeitpunkt – wahrscheinlich hat die Presse die Linien und Stoßzeiten herausgegriffen, die auch vorher schon übervoll waren… (da würden mir schon ein paar einfallen)
Nicht immer alles schlecht reden, einfach mal machen, probieren und lernen.
Mit vielen Wanderern erreicht man Sonntags Altdorf und freut sich über die Bewegungsfreude bei Älteren und auch Jüngeren!
Altdorf verlasse ich recht schnell und folge den nächsten Kilometern dem Fränkischen Dünenweg. Ob ich den vielleicht einmal nur für mich laufen soll? Möglich wäre es und bestimmt wäre es auch eine schöne Sache… Die Idee sollte ich im Hinterkopf behalten.
Auf dem Weg nach Prackenfels passiere ich ein enges Tal, welches mit einigen Stufen versehen ist – ich bin begeistert. Ich hätte stadtnah nicht eine solche Landschaft erwartet. Meine gute Laune steigt weiter. Ich entdecke Orte und Dinge, die mir bisher unbekannt waren. Mobilität erzeugt Probleme – aber sie löst auch Probleme. Sie lässt einen mehr von der Welt sehen und das hilft, Verständnis für viele Dinge und Menschen aufzubauen.
Nach Grünsberg geht es zuerst auf einem gut geschotterten Weg entlang der Schwarzach, zu der man an verschiedenen Stellen hinuntersteigen kann, um immer mal wieder einen Blick auf diesen unterschätzten Fluss zu werfen. Zu guter Letzt zweigt man auf dem Wanderweg aufwärts in den Ort ab, läuft durch ein wild anmutendes Tal und überquert den Bach auf Steinen, bevor es einen auf ungleichmäßigen Stufen direkt in den Ort spült. Kleine Gedenksteine unterschiedlicher Art säumten den Weg und lassen mich immer wieder stoppen. Ich bin von dem Tag schon restlos begeistert und würde mich über den Rest der Strecke nicht mehr beschweren – komme was wolle.
Zu den seltsamsten Objekten auf dieser „Reise“ gehört die Sophienquelle. Mitten im Wald liegt eine eingefasste Quelle. Ja, viel mehr ist es ein Amphitheater, welches ein barocker Gartenbau über zwei Stufen ist. Faszinierend und seltsam zu gleich. Vor allem weil der direkt daran anschließende Weg mitten in den dichten Wald führt.
Nach Altenthann führt der Weg uns in den Thanngraben. Ein sehr beliebtes Ausflugsziel und Naherholungsgebiet im Altdorfer Land. Auf guten Wegen geht es vorbei an Bächen, Tümpeln, seltsamen Felsformationen und Wurzeln, bis man beim Fröschauer Weiher kurz vor Rummelsberg aus dem Wald gespuckt wird. Zwischen drin kreuzt ein etwas größerer Hund meinen Weg, der laut Halter vor anderen Männern Angst hat. OK. so etwas gibt es also auch…
Beim Lauf durch das Tal grüße ich zwei Wanderpärchen, welches auf einer Bank hockt. Man ist halt freundlich, denkt sich dabei aber nichts weiter – bis man auf Strava angeschrieben wird, dass man dich gesehen hat. Eben von dieser Bank aus. Mea Culpa!
Ich war so in diese Landschaft vertieft, dass ich keine anderen Menschen in meine Gedanken gelassen habe.
Der immer wieder einsetzende Regen stört mich null komme null. Die Luft ist viel zu warm und die Regentropfen so fein und schwach.
Eigentlich ist es ein herrliches Wetter – klingt komisch. Liegt vielleicht an mir…
Auf dem Weg nach Ochsenbruck will ich nur einen klitzekleinen Abstecher machen, um die eine Straße noch zu vervollständigen (Stichwort Every Single Street). Also eher ein Weg. Umdrehen und wieder zurücklaufen will ich auch nicht, da ich die Richtung zum geplanten Track durch den Wald gut abschätzen kann. Also rein auf den schmalen Pfad und…
Ich stehe im hüfthohen, nassen Gras. Umdrehen? Kommt nicht in Frage! Ich stapfe durch das Gras, Unterholz, Brennnesseln und erfreue mich des Lebens – manchmal halt etwas weniger.
Die Schwarzachklamm ist kein neues Gebiet für mich, aber fasziniert mich immer und immer wieder. Pfingstsonntag ist sie natürlich gut besucht, aber die meisten Wanderer machen mir gerne Platz. Danke nochmal dafür! Im Grunde genommen bin ich heute nur zuvorkommenden Menschen begegnet. Einer dieser Tage, an denen man an die gute Seite der Mitmenschen glaubt.
Diese Felsformationen der mäandrierende Fluss, die Schlucht, die Gustav-Adolf Hölle, die Stufen, Durchgänge…
Hier gibt es unglaublich viel zu Entdecken und Erleben bis man beim Biergarten am Brückkanal dieses Naturschutzgebiet verlässt.
Der Brückkanal am Alten Kanal ist eine 90 Meter lange Kanalbrücke, welche die deutlich tiefer liegende Schwarzach überquert. Für das 19. Jhd. ein beeindruckender Bau!
An dieser Stelle beginnt auch die Odyssee des heutigen Tages.
Ziel ist es, die Autobahn zu unter- oder überqueren, um den restlichen Abschnitt nach Hause zurückzulegen. Ich habe ja eine geplante Route auf der Uhr und das Handy mit Komoot Premium und den Wanderwegen im Rucksack…
Weg Nr. 1: gesperrt
Ich weiche nach Süden aus
Weg Nr. 2: Wanderweg gesperrt
Weg Nr. 3: Wanderweg gesperrt
Weg Nr. 4: Wanderweg gesperrt (und bevor ihr fragt: die Brücken und Unterführungen waren nicht mehr da, also kein Vorbeimogeln an Absperrgittern)
Kilometer weiter im Süden kann ich bei Sperberslohe den Sperrriegel Autobahn überqueren (an dieser Stelle gibt es auch einen fast verwunschen wirkenden Wanderweg Nr. 6, welcher unter der Schnellstraße hindurchführt). Ab diesem Zeitpunkt ist mir klar, dass ich auf einer komplett neuen Route nach Hause laufen muss. Zu weit hat es mich Richtung Süden verschlagen. Ein Wanderer wäre nun vielleicht der Verzweiflung nahe, aber komischerweise stört es mich gar nicht so sehr. Irgendwie muss das Frühstück heute anders gewesen sein…
Mir wird aber auch wieder bewusst, wie Autobahnen auf die Tierwelt und die Natur wirken können. Fast unüberwindbare Hindernisse.
Mit Hilfe von Komoot und den Wanderschildern finde ich heraus, dass der eben schon erwähnte Wanderweg Nr. 6 mich nach Leerstetten bringt. Von wo aus ich auf dem Rad-/Fußweg problemlos nach Penzendorf und weiter nach Hause finden kann. Los geht`s.
Kilometerweit geht es durch einen Forst. Ich finde, man merkt den Unterschied zwischen einem etwas naturbelasseneren Laubwald und einem Nadelforst an solchen Tagen deutlich! Warum an solchen? Mittlerweile scheint die Sonne und dieser Forst spendet weniger Schatten, die Luft ist nicht so kühl und riecht auch nicht so frisch. Bilde ich mir das ein? Vielleicht. Aber ich bleibe dabei. Solche Wälder fühlen sich nicht intakt an.
Unerwartet stolpere ich über die Lohbachquelle. Ein kleiner Pfad zweigt vom Weg ab und führt zu dieser winzigen Quelle (mit einer schönen Bank!). Eigentlich nichts besonderes, aber so, wie es hier präsentiert wird, ist es wieder interessant.
Und dann noch diese schön bemalte Häuserfassade in Leerstetten. Ich bin mit der Alternativroute versöhnt und laufe noch immer flüssig, aber langsam müde nach Hause.
Euer Thorsten