- Samstag, 14. Januar 2023
- 47 km + 2100 HM
- 8 h 32 min
Was „muss“ ich machen, wenn ich einen neuen Wanderweg entdecke? Genau – zuhören.
Und wenn ich still bin und ganz genau hinhöre, dann ruft er so oft: Lauf mich
Noch besser ist es aber, sogar viel besser, wenn sich dann auch ein guter Freund bereit erklärt, ihn mit mir einfach auszuprobieren, einfach zu starten und sich überraschen zu lassen, ob es gut oder schlecht, hässlich oder schön wird!
Und es hat sich gelohnt.
Herbst letzten Jahres verbrachten meine liebe Frau und ich nach dem Arberland Ultratrail noch ein paar Tage in Bodenmais um zu entspannen, das Leben zu genießen und etwas wandern zu gehen. Dabei entdeckten wir eine mir völlig unbekannte Wandermarkierung: 7 Summits
Das Interesse war geweckt und das Handy gezückt – siehe da: eine interessante Route über 45 km mit 1400 HM (diese Angabe ist, gelinde gesagt, leicht falsch, aber manchmal muss man es im Leben).
Nachdem heuer der Winter sehr sparsam ausfällt, zu warm und zu trocken ist und Andy und ich eh noch laufen gehen wollten, wurde relativ spontan der Entschluss gefasst in „unseren“ Wald zu fahren, mit dem viele schöne Erinnerungen und Eindrücke verbunden sind. Die Schneedecke ist erst ab 900 Meter vorhanden und dann auch nicht stark
– also gut zu stapfen.
Um 9 treffen wir uns am Samstag Morgen, damit wir beide bei einer Anreise von über 2 Stunden nicht zu zeitig aus den Federn kriechen müssen.
Als Ausgangspunkt wählten wir nicht, wie im Internet angegeben, Bodenmais, sondern den Wanderparkplatz Schönebene etwas außerhalb des Ortes. Damit sparen wir uns die Parkplatzgebühren, haben am Abend zum Umziehen unsere Ruhe und können trotzdem direkt auf der Route starten.
Bei ca. 3°C und leichtem Sonnenschein soll es losgehen – nur meine Leki Trailrunningstöcke lassen sich nicht auseinanderziehen…
Ich bin angefressen. Die sind erst fünfmal in der Benutzung gewesen und machen nun solche Zicken und sind nicht zu nutzen. Na gut, bei 1400 HM werden sie nicht nötig sein…
Wir wählen die vorgesehene Laufrichtung, also im Uhrzeigersinn, da auch nur diese ausgeschildert ist, und laufen auf den Hausberg von Bodenmais, den Silberberg zu. Die Sonne taucht den normalerweise überfüllten Berg in ein herrliches Licht und wir haben ihn ganz für uns.
Meine leichte Erkältung und ein leichter Husten geben das Tempo vor, also ein gemütliches ohne Druck.
Durch Bodenmais geht es Richtung Süden. Es rollt.
Die Wege sind einfach zu laufen und erstaunlich trocken, so dass wir hier gleichmäßig durchkommen und uns auf die herrlichen Wälder konzentrieren können. Leichte Waldwege wechseln sich mit Schotterpassagen im welligen auf und ab – so könnte es den ganzen Tag vorwärts gehen und wir würden immer im Komfortmodus bleiben.
Der Riederinfelsen als Nummer zwei ist nur über eine Stahlleiter zu erreichen und ein echtes Highlight! Auf einer Felsspitze gelegen, war er früher nur von Kletterern zu erreichen und ist ein Ruhepol.
Der Kronberg ist dann unser drittes Gipfelkreuz und mir völlig unbekannt – dabei ist er idyllisch gelegen, einsam, aber nur mit leichter Fernsicht und trotzdem eine kleine Entdeckung. Ich bin schon jetzt von der Route positiv angetan.
Wir stoßen bei unserem Weg zum vierten Kreuz auf der Harrlachberger Spitze (sehr gute Aussicht auf die Gebirgskette vom Eck bis zum Arber) immer wieder auf Wanderer einer kleinen, lokalen Wanderveranstaltung, wechseln ein paar Worte und erfreuen uns des Lebens. Die Harrlachberger Alm, eine traumhaft gelegene Gaststätte, die mehr als einen Besuch wert ist, lassen wir links liegen, weil wir uns durchgeschwitzt nirgendwo lange aufhalten möchten, um nicht zu frieren, da wir dafür nicht auch noch Wechselkleidung in den Rucksack gepackt haben. Lieber leichter und schneller, als für alles ausgerüstet und träge.
Nummer 5 der Sternknöckel liegt westlich von Bodenmais und firmiert eher unter dem Prädikat unscheinbar. Ein langweiliger Aufstieg durch einen Forst macht ihn zum uninteressantesten von allen. Langsam merke ich die fehlenden Stöcke und stapfe bergauf langsamer als Andy. Laufen geht gut. Trittsicherheit ist da. Nur muss ich versuchen die Herzfrequenz niedrig zu halten.
Der längste Aufstieg steht an! Es geht nun hinauf zum Goldsteig zwischen Enzian und kleinem Arber und damit zum trailigsten Abschnitt der Tour. Hunderte von Höhenmeter, bei denen schon deutlich wird, dass die „Prospekt-Angabe“ vorn und hinten nicht stimmen wird.
Ich muss kämpfen, die Erkältung ist spürbar und ich nehme Druck weiter heraus, um den Körper zu schonen.
Schnee taucht auf und auf der Hochfläche wird es eine geschlossene Decke, mit fester und dünner Auflage. Gut zu gehen – letztendlich stapfen wir volle 7 km aufwärts bis zum Gipfelkreuz Nummer 6 auf dem Kleinem Arber (meinem Lieblingsarber, weil er nicht so stark frequentiert ist). Hier hängen Eiszapfen und der Wind hat den Schnee in wilde und faszinierende Formen umgestaltet. Die Wolkendecke schließt sich, die Sonnenstrahlen der bald untergehenden Scheibe werden langsam rötlich und der Wind pfeift unangenehm kalt.
Also runter zur Chamer Hütte, sich etwas irritiert von den Wanderern für die dünnen Klamotten anschauen lassen, ein paar Worte wechseln und dann endlich wieder laufen! Es geht hinüber zum Großen Arber. Vorsorglich hat jeder von uns noch eine warme Jacke im Rucksack.
Oben angekommen sehen wir noch die Alpen! Sehen wir einen Sonnenuntergang über Schnee und Berge. Egal wie anstrengend es bisher war: Dieser Moment würde schon für alles entschädigen und Grund genug sein!
Wir sind die einzigen auf unserem Gipfel Nummer 7, den die Bahn fährt nicht mehr, für die Wanderer ist es zu spät und der Wind ist so garstig, dass die Finger eiskalt werden und die Knie zittern. Also runter vom Gipfel.
Über verschneite und rutschige Pfade laufen wir abwärts und hinein in den Dunkelheit. Nach einem leichten Gegenanstieg stehen wir in höherem Schnee am letzten und achten Gipfelkreuz beim Mittagsplatzl (ja, ich kann zählen, ja, es sind anscheinend 8 Summits) und genießen die nicht vorhandene Aussicht auf den Arbersee.
Andy packt die Stirnlampe aus (meine habe ich leider vergessen…), ich laufe vorneweg und wir erreichen nach einer Weile wieder schneefreies Gelände mit viel Matsch und Wasser. Gut, nun sind die Füße auch kalt.
Ich renne in einen Ast und ramme ihn mir ins Auge. Autsch…
Das Auge wird mir später daheim noch schmerzen, aber zum Glück ist nichts weiter passiert.
Als wir die völlige Dunkelheit erreicht haben, wechseln wir ins wandern, quatschen in Ruhe und erreichen etwas später als gedacht den Parkplatz.
Der Tag war so gelungen, die Strecke so schön und abwechslungsreich, dass die Route nach Wiederholung ruft.
Euer Thorsten