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Garda 100 – Lago di Garda einfach ungefiltert

  • Samstag, 2. Oktober 2021
  • 145-150 km
  • ca. 580 HM

Vorgeschichte und Planungen
Wie kommt man auf die Idee den Gardasee zu umrunden? Haben dies auch schon andere vor uns geplant und durchgeführt? Welche Hindernisse kommen bei der exakten Streckenplanung auf? Wie und wo verpflegen wir uns? Wer ist überhaupt mit von der Partie? Zu welcher Zeit, an welchem Ort in welche Richtung starten wir?

Viele Fragen auf einmal…
Also Stück für Stück vorarbeiten und alles klären, was vorher zu klären ist.

Wie kommt man auf die Idee den Gardasee zu umrunden?
Ganz einfach: Durch eine Serviette!!! Ok, das ist vielleicht nicht die häufigste Begründung für ein solches Unterfangen, aber es ist definitiv nicht der schlechste Ursprung! Flo saß an seinem Lieblingssee, in seiner zweiten Heimat, am Gardasee in einem Restaurant, betrachtete die vor ihm liegende Serviette und las sich die verschiedenen Fakten und Zahlen zum See durch – und siehe da, der See hat eine Küstenlänge von etwas über 150km…
Lang, aber nicht unmöglich. Der Samen der Idee war gepflanzt. Es wurde anschließend viel gesprochen, viel angedacht, Termine gesucht und etwa ein Jahr später sollte es nun so weit sein und wir in Torbole am Start stehen. Gute Ideen brauchen manchmal etwas Zeit zum reifen!

Wer ist überhaupt mit von der Partie?
Flo, Hansi und meine Wenigkeit. Zusätzlich im Hintergrund als Unterstützung meine liebe Mareike und Flo’s wunderbare Mama, die Brigitte. Hansi stand lange Zeit in der Arbeit terminlich unter Druck und konnte erst wenige Wochen vorher zusagen – die Freude war deshalb umso größer, weil unerwartet das gesamte Morgenspaziergang Team auf die Strecke gehen konnte! Wir quartierten uns für das Projektwochende in eienr Ferienwohnungen auf einem Weingut bei Torbole ein. Eine geniale Idee!!! Der Wein war köstlich, die Gesellschaft keine einzige Minute langweilig und die frisch renovierten Zimmer ließen keinen Ärger aufkommen. Herrlich… Anschließend ging es für einen Urlaub in ein Hotel nach Bardolino. Schließlich soll der Müßiggang nicht zu kurz kommen.

Carboloading am Vortag ist wichtig

Hatten dies auch schon andere vor uns geplant und durchgeführt?
Mit Fahrrädern, Motorrädern, Autos – ja schon sehr viele. Aber Laufen? Google schweigt sich dazu aus. Auf Strava hat dies schon einmal einer geplant – aber die hinterlegte Einheit ist keine gelaufene Einheit. Also anscheinend noch niemand. Noch ein Grund mehr dies zu tun. Das bedeutet allerdings, dass wir auch keinerlei Anhaltspunkte für die Planung haben – was uns drei noch viel mehr anstachelt, weil ein weiterer spannnender Faktor neben dem Laufen hinzukommt. Ich liebe es einfach, solche Projekte zu planen, mit der Strecke hin und her zu überlegen, VP´s zu setzen, das Gepäck und die Ausrüstung zu bedenken – eben einfach ein wundervoller Teil des Ganzen.

Welche Hindernisse kommen bei der exakten Streckenplanung auf uns zu?
Die Frage hört sich im ersten Moment leicht zu beantworten an: Keine, einfach immer am Seeufer entlang. Bei einem zweiten Blick auf die Wanderkarten fällt auf, dass man
a) nicht immer direkt am Seeufer laufen kann, weil Teile Privatgrund sind
b) manchmal nur eine Straße, aber kein Radweg/Fußweg existiert
c) Sirmione mit seinem Stichweg die Frage nach der Sinnhaftigkeit stellt
d) ein Naturpark im Südwesten den direkten Weg kompliziert gestaltet
e) es nach Riva natürlicherweise nur Wege über den Berg gibt, weil die Felsen direkt in den See fallen – es sei denn man wirft einen Blick auf die langen Tunnels, die künstlich für den motorisierten Verkehr durch den Fels getrieben wurden: Die Gardesana

Wie und wo verpflegen wir uns?
Tagsüber können wir uns im Osten, Süden und Südwesten fast permanent in Supermärkten mit allem benötigten eindecken. Touristisch ist der Lago di Garda wohl einer der am stärksten erschlossenen Regionen der Welt. Nachts sieht die Sache allerdings deutlich schlechter aus. Die Tankstellen haben keinen Shop und die Supermärkte haben nicht die gewaltigen Öffnungszeiten, wie sie in Rom oder auch Berlin, geschweige denn in amerikanischen Großstädten anzutreffen sind. Das heißt, wir müssen genug zum trinken mit uns führen.

Zu welcher Zeit, an welchem Ort in welche Richtung starten wir?
Die ursprüngliche Planung sah vor, dass wir aus Sicherheitsgründen die ganze Nordspitze/-hälfte auf Wanderwegen zurücklegen, also die Gardesana Occidentale und Orientale umgehen. Hier hätte sich ein Start südlicher der Berge angeboten, um die technsich schwierigen Passagen mit vielen Höhenmetern gleich zu Beginn und im Hellen zurücklegen zu können. Aus emotionalen Gründen kam für unseren lieben Flo nur Torbole als Startpunkt und Riva als Zielpunkt in Frage. Dies haben wir deshalb als gesetzt akzeptiert. Ebenso erschien uns die Möglichkeit auf der Weststeite durch die Tunnels zu laufen als zu riskant. Deshalb plädierten Hansi und ich für die Variante gegen den Uhrzeigersinn.
Wie gesagt, ist der Gardasee für Flo eine emotionale Angelegenheit, weshalb er die Richtung nicht ändern wollte, um den (wahrscheinlich erstklassigen) Downhill hinunter nach Riva ins Ziel laufen zu können.
Die Richtung akzeptierten wir auch. ABER! dann war Hansi und mir klar, dass wir den ersten Teil entspannter umplanen müssen, d.h. wir von Torbole nach Malcesine nicht über die Berge steigen, was dazu führte, dass viel diskutiert, viele Videos hin und her geschichkt, und fleißig Karten studiert wurden (ja, richtige Wanderkarten, die Dinger in Papierform – ich liebe einfach gedruckte Karten).
Hansi und mir war klar, wir laufen nach Malcesine durch die Tunnel! Wie? Wir müssen einfach vor dem Verkehr in den Abschnitt der Gardesana Orientale einsteigen. Damit war 4 Uhr Morgens als Startzeit unausweichlich. Wir einigten uns in aller Ruhe darauf. Mir bereitete die Vorstellung ganz am Ende, müde und kaputt auf Steigen zu wandern immer noch etwas Bauschmerzen…
Essenspunkte wurden noch eingeplant, mit den Mädels ein gemütliches Abendessen in einem der Orte (der genaue, sollte spontan vereinbart werden) vereinbart und eine Gesamtzeit von 35h für die 160km mit 3300 HM angepeilt.

Klasse Zimmer direkt über der Weinhandlung auf dem Weingut – perfekt für das Vorhaben

Der Rucksack
Was muss alles mit? Stöcke für die zweite Hälfte. Sehr viele Riegel für die Nacht. 2 Liter Trinkblase (dafür keine Softflask). Powerbank + Ladekabel. Salztabletten. GoPro. Smartphone. Regenjacke. Warmes Oberteil. Dünne Handschuhe. Tight. Frisches Shirt. Buff. Geld. Perso. Taschentücher für die Notdurft. Stirnlampe + Wechselakku. Maske (Covid-19). Sonnenbrille
Ne Menge Sachen halt…
Also den großen Ultimate Direction Fastpak 30 gepackt. Die Bekleidung habe ich vorsorglich noch in einen wasserdichten Sack gestopft, damit sie nicht völlig durchgeschwitzt werden.

Und nun ein kleiner Aufreger für mich. Angedacht war, dass wir die Tour ohne Unterstützung der Mädels schaffen. Nur hatten die beiden Jungs ihre kleinen Trailrucksäcke mit an den See genommen und keine Möglichkeit alles zu verstauen, d.h. sie waren auf einen Dropbag angewiesen. Ja, sie wurden nicht hängen gelassen, packten deshalb ihre Rucksäcke extra leichter – nur ich wollte nicht, ich beließ meinen schon daheim gepackten Rucksack mit allem und gab nur Mareike vorsorglich ein frisches Shirt mit. Bin ich stur? Wahrscheinlich. Würde ich wieder so handeln? Ja, auch wenn der Rucksack gegen Ende echt schwer wog und seine Spuren am Rücken hinterließ. Kaum ins Gewicht viel mein kleiner Glücksbringer (ein Geschenk von Mareike, welches nun schon einige Jahre mit mir unterwegs ist und mir sehr wichtig ist), welcher außen am Rucksack angebracht wurde.

Kurz vor dem Start

Auf, auf Jungs und raus auf die Straßen. Der See wartet und ruft
3 Uhr aufstehen ist angesagt. Der Kaffe tut gut und das Frühstück will einfach nicht runter. Kann man nun auch nicht ändern. Die gute Stimmung Flo’s ist hart an der Grenze zwischen Dankbarkeit und Steinwurf. Gute Morgen Musik wirkt hier auch nicht. Kurz nach vier geht es raus in die stockdunkle Nacht und über Torbole nach Malcesine.

Immer den See auf der rechten Seite und den Klang des Wassers im Ohr


Die Straßen sind leer und wir können erstaunlich ungestört durch die Tunnel und Gallerien laufen und unsere gute Stimmung genießen. Wir sind so voller Vorfreude auf die kommenden Stunden, dass die ersten Kilomter verfliegen. Neben den Straßen gibt es kleine Spuren, auf denen wir laufen können und später gibt es einen Fußweg neben der Straße, der auf Metallbrettern in der Luft gelegen ist. Die Steinschlaggefahr gestattet eigentlich keine Benutzung, aber erfahrungsgemäß bedeutet dies in südlichen Ländern, dass eine Benutzung auf eigene Gefahr erfolgt und niemand für dich verantwortlich ist. Das Risiko gehen wir ein! Die Platten scheppern, haben kleine Stufen und sind nur ein klein wenig von unseren Lampen erleuchtet – eine seltsam aufregende Stimmung. Traumhaft.
Kurz vor Malcesine ist der Tunnelspaß zu Ende und wir laufen auf einem perfekten Radweg auf den ersten großen Ort zu. Die Burg ist leider völlig unbeleuchtet und liegt im Dunkeln. Wenigstens ist die Müdigkeit gänzlich verflogen und wir können viel quatschen und mit lockeren Schritten Kilomter machen. Kleinere Notdurften halten hier und da auf, aber nichts wildes. In Malcesine setzten wir uns kurz an eine freie Tischgruppe, essen einen Happen und ruhen uns kurz aus. Weit ist der Weg und wir wollen bei Kräften bleiben. Die ersten Sonnenstrahlen erreichen uns dann erst auf dem Weg nach Torri del Benaco, während wir bei einem Bäcker leckere Schokohörnchen kaufen und spachteln. Flo hat zu diesem Zeitpunkt mit dem Magen Probleme und kann kaum etwas gegessen (nicht gut, gar nicht gut, sollte sich aber im Lauf der nächsten Stunden etwas bessern). Wir warten auf ihn und geben ihm die benötigte Zeit. Zu dritt gestartet und zu dritt wollen wir ankommen. Punkt.

Der See wird uns die ersten Stunden nie verlassen – ein treuer Begleiter


Torri soll unser Ort für das Frühstück werden. Allerdings finden wir keinen Supermarkt, irren etwas verloren zu früher Stunde durch den Ort, finden erst kein Café und als wir eins gefunden haben, eines für Einheimische, will uns die junge Dame nicht bedienen, nicht einmal uns anschauen, sie ignoriert uns einfach. Etwas fassungslos und irritiert beschließen wir das Frühstück auf Garda zu verlegen. Allerdings sind es noch ein paar Kilometer bis dahin. Gut, jetzt auch egal. Mit viel Gesang und Gelächter geht es an den Einheimischen vorbei – für ein wenig Verwunderung kann man immer gerne sorgen.

Torri del Benaco – ein schönes Örtchen, fast schon ein wenig kitschig


In der Gemeinde Torri ist auch der Radweg nicht gebaut worden (davor und danach aber sehr wohl) und wir laufen zum Teil auf schmalen Simsen direkt am Wasser entlang, weichen auf die Straße (der Verkehr hat schon zugenommen) aus und versuchen durch tiefen Schotter am See entlang zu laufen. Letztendlich legen wir viele Kilometer hoch zur Zufahrt zur Punta San Vigilio direkt neben den Autos auf der Straße zurück, weil es der einfachste und schnellste Weg ist.
Jetzt möchte ich auch einmal eine Lanze für die italienischen Autofahrer brechen. Wir wurden nicht angehupt oder angebrüllt. Sie fahren zügig, aber erstaunlich kontrolliert. Viele Dinge die erstaunlich vielen Autofahrern in Deutschland abgehen.
In Garda erreichen wir die hübsche Promenade schon am Vormittag und damit zu einer Zeit mit vielen Touristen. Wir suchen uns einen kleinen, lokalen Supermarkt und kaufen fleißig ein. Für mich steht Wasser, Fanta Lemon, Cola, Schokohörnchen und ein riesiges, frisch belegtes Baguette mit Schinken auf der Liste. Schwierig ist nur direkt nach dem Laufen mit Maske länger in einem Geschäft zu stehen. Das Gefühl nicht genug Luft zu bekommen wird nicht kleiner, egal wie oft ich das mache. Zum Glück lassen mich zum zahlen und zubereiten des Essens die Jungs im Laden stehen, um frei atmen zu können 😉
Wir finden eine schöne Bank mit Blick auf den Lago und essen in aller Ruhe. Flo legt sich zum ausruhen auch ein wenig an die Promenade. Eine ältere Dame sieht uns und sucht das Gespräch: Ihr umrundet den See? Wo sind eure Fahrräder? Zu Fuß? Wie viele Tage? Irgendwie lösen wir anscheinend auf sie den Anschein aus, dass sie es mit Freaks zu tun hat.

Pause muss sein
um ordentlich spachteln und in Ruhe alles auffüllen zu können


Nun geht es auf einer eigentlich traumhaften Promenade nach Bardolino und von dort nach Lazise. So voll habe ich diese aber noch nie erlebt! Schlangenlinine müssen gelaufen werden und manchmal hilft einfach nur ein rabiates mitten hindurch. Puh mühselig. Ich suche eine Toilette, finde keine Gelegenheit und spaziere dann zusammen mit Hansi auf einen Campingplatz. So weit klappt auch alles, allerdings als wir die Hände waschen wollen, werden wir von einer deutschen Touristen gerügt, dass man am Spülbecken keine Hände wäscht, sondern dafür das Waschbecken ums Eck nimmt… Schnell weg hier. Irgendwie vermissen wir doch die Ruhe der Nacht.
Die Menschenmengen nehmen in Bardolino und auf der Promenade nach Lazise nicht ab. Der Honigmarkt in Lazise wirkt noch wie ein zusätzlicher Magnet. Corona scheint es hier nicht zu geben. Viel zu viel Trubel.
Langsam merke ich auch die ansteigenden Temperaturen. Noch wird brav alles gelaufen, aber der frischeste bin ich nun nicht mehr.
Der Weg nach Peschiera setzt mir richtig zu. Eigentlich laufen wir permanent am See entlang, der an dieser Stelle dank seiner Breite einfach nur gewaltig wirkt, aber ich sehne mich nach einer kleinen Pause und Essen. Zur Mittagszeit hat nur leider kein Supermarkt in Peschiera offen. Wenigstens finden wir am Hafen einen unscheinbaren Trinkwasserbrunnen, an dem wir die Flaschen auffüllen können. Flo und Hansi gewinnen beim Laufen Meter um Meter auf mich. Ich falle zurück. Alles kein Problem, da beide immer in Sichtweite bleiben und ich derzeit nicht reden möchte.

In Peschiera war die Welt noch sonnig, wir aber schon geschlaucht

Beim verlassen des Ortes können wir uns nicht einigen, bei welcher einfachen Gaststätte bzw. Stradbar wir uns etwas zum Mittagessen kaufen. Wir laufen an so vielen vorbei, bis es mir ein wenig zu bunt wird und ich die Entscheidung einfach treffe. Das Sandwich und alkoholfreie Bier und Sprite ist einfach köstlich. Wir schnaufen durch, sammeln unsere Kräfte, laden die Geräte auf und genießen den Moment des Nichtstun. Flo bereitet uns leider immer noch Sorgen, weil er nichts essen möchte. Er legt sich lieber auf den Rasen und döst vor sich hin – nicht gut…
Bei Hansi und mir reift der Entschluss auf der Westseite Nachts durch die Tunnel zu laufen und nicht den Weg über die Berge einzuschlagen. Es werden lange Diskussionen mit Flo. Wir sehen allerdings keine Möglichkeit, wie wir vernünftig Nachts über diese vielen Kilometer und gut 2500 Höhenmeter kommen sollen. Noch ist nichts entschieden, aber die Entscheidung schon weit gereift.
Ich plane an ein paar Stellen die Strecke um, weil Richtung Salo Komoot nicht die beste Planung vorgenommen hat. Richtung Sirmione müssen wir leider ein Stück von der Küste weg und laufen auf einer großen Hauptstraße in den neuen Teil des Ortes hinein. Flo hat bei seinen Planungen auf einen Abstecher auf die Halbinsel mit seinem historischen Kern und Massen an Touristen verzichtet. Kann man Schade finden, ist aber gut nachvollziehbar. So stoßen wir wenigstens auf einen guten Supermarkt: und er hat noch mehr gekühltes Sprite!!! Wie das schmeckt!
Die Hitze lässt langsam nach und mir geht es wieder besser. Das Tempo ist nicht hoch, aber wir laufen die meisten Kilometer immer noch. Nun bittet Flo immer öfter um ein paar Schritte Gehen und ich sträube mich nicht. Hansi scheint zu diesem Zeitpunkt der fitteste zu sein und würde gern mehr laufen. Ich dränge zumindest darauf, dass wir in Bewegung bleiben, auch wenn es nur Gehen ist. Sitzen halte ich für wenig effektiv.
Nach Castello geht es auf den gleichen endlosen Kilomtern an einer Promenade entlang, wie sie auf der Ostseite zu finden sind. Nach einer kurzen Stärkung an einem Getränkeautomaten. Beschließen wir das Abendessen und den Einkauf für die Nacht in Salo zu erledigen, d.h. dort Mareike und Birgit in einem Restaurant zu treffen (gutes Essen vor der Nacht ist wichtig). Die Kilometer bis dahin lassen sich nur grob schätzen und ich hoffe nicht zu wenig ermittelt zu haben, weil sich alle auf meine Zeitangabe verlassen.
Um das Naturschutzgebiet südlich von San Felice del Benavo zu umgehen steigen wir in der einsetzenden Dämmerung auf einen Hügel der auf der direkten Luftlinie nach Salo liegt auf. Hier sind wir wir nicht mehr auf Straßen unterwegs und die Kilometer weren länger und länger. Hätte es nicht auch eine schnellere Variante gegeben? Die letzten Sonnenstrahlen verschwinden und wir müssen uns mit unseren Stirnlampen den Weg über Feld- und Schotterwege bahnen. Mir passt dies gar nicht, weil wir unsere Ankunftszeit nicht einhalten können und zusätzlich Probleme mit dem Einkaufen im Supermarkt bekommen können. Flo möchte nun viel mehr Gehen und ich bin wieder so weit, dass ich einige Kilometer laufen kann. Hansi zeigt sich scheinbar noch immer unbeeindruckt von der Distanz. Beim Laufen durch die hochgelegenen Orte setzten sich Hansi und Flo immer wieder weit von mir ab und lassen mich alleine trotten. Jetzt steht das Projekt auf der Kippe, weil zwei von uns so kaputt sind, dass die Rücksichtsnahme leidet. Knapp 5 Kilometer vor Salo wechselt Flo ins Gehen und will nicht wieder anlaufen, ich aber mit einer sehr langsam Pace weiter traben. Ich rufe Mareike an und bitte sie für uns einzukaufen (eine wichtige Entscheidung, wie sich später herausstellt, weil sie nur wenige Minuten vor Ladenschluss noch durch den Supermakrt rennt, den wir auf keinen Fall mehr rechtzeitig erreicht hätten). Hansi und ich laufen weiter und die Sichtverindung zu Flo reißt ab. Wir bleiben nicht stehen und kommen oberhalb vom nächtlichen und beeindrucken beleuchteten Salo heraus. Wir planen kurz den Weg zum Treffpunkt in der Nähe des Hafens und laufen auf einer endlosenen Serpentinen Straße (ohne jeglichen Gehsteig) im Samstags Abendlichen Verkehr abwärts. Die Ausblicke sind genial, aber die Autos mahnen uns zu allergrößten Vorsicht. Keine Kurze schneiden, immer so weit wie möglich am Rand laufen und nicht die Autofahrer mit unseren Lampen blenden. Schön, gefährlich und unvergesslich.
Wir erreichen den Treffpunkt wieder mit mehr Lebensgeister und müssen nur wenige Minuten auf Flo warten, der anscheinend wieder in den Laufschritt gefunden hat. Ich wechsle die Bekleidung, mit meinen Vorrat an frischen Klamotten im Rucksack und die beiden Jungs greifen auf ihren Dropbag im Auto zurück. Die Stimmung entsptannt sich und wir gehen zu fünft gemütlich essen.
Der Entschluss steht. Wir laufen durch die Tunnel. Kilometerlange Tunnel ohne Gehweg. Eine der berühmtesten Straßen Europas. Die Entscheidung fällt nicht wirklich einstimmig, wird aber von allen getragen. Wie? Stirnlampen, blinkende Rücklichter und ich mit einer Sicherheitsweste über Mann und Rucksack als Schlussläufer. Die Frauen sind besorgt, aber auch erleichtert, dass wir in unserem Zustand nicht auch noch über die Berge gehen. Nur wie können wir unterwegs noch einmal die Getränke auffüllen? Ich habe mir ja meine 2 Liter Trinkblase eingepackt und die reicht mir von Salo bis Riva definitiv. Die zwei Jungs sind aber auf leichteres Gepäck ausgewichen und haben auch nur die Hälfte an Flüssigkeit dabei. Mareike bietet an in Limone sich irgendwo einen Platz im Dunkeln zu suchen und dort Wasser und Sprite zu deponieren (wie wir dies in den Bergen gemacht hätten, will ich mir gar nicht ausmalen; die Hoffnung Wasser dort oben zu finden und über die Flaschen mit Spezialverschluss zu filtern…). Flo legt sich vor dem Essen erstmal ins Auto und schläft kurz ein. Er stößt erst zum Essen, als wir schon fertig sind. Kein Problem. Wir wollen den Aufbruch so oder so hinauszögern, damit wir die ersten Tunnel erst um Mitternacht erreichen, um hoffentlich leere Straßen zu haben. Die Verkehrsdichte ist schließlich immer noch ein großes Fragezeichen. Wahrscheinlich geben wir im Restaurant ein komisches Bild ab…
Nach Gardone laufen wir am Wochenend Party Leben vorbei und erregen die Aufmerksamkeit der Einheimischen. Die Leuchtweste ist definitiv ein Hingucker. Einfach nur herrlich so ein verrücktes Abenteuer.
Viele sündhaft teure 5* Hotels liegen auf dem Weg und versperren immer wieder den Weg am Wasser. Ich komme nun sehr schwer ins Laufen hinein und schwanke um eine Pace von 7:00 bis 7:30 das immer wieder von gleichlangen Gehpassagen unterbrochen ist, die aber noch erstaunlich gut gehen (ca. 6 Kilometer in der Stunde).
Hansi plant während der Bewegung um und führt uns immer wieder durch die kleinen Orte, damit wir nicht permanent der Hauptstraße folgen müssen.
Den ersten Tunnel nach ca. 20 km können wir noch auf der alten Straße bei Gargnano umgehen. Eine extrem schmale Straße, die schon seit langer Zeit wegen Steinschlaggefahr gesperrt ist, aber von vielen Wanderern immer noch genutzt wird. Steil geht es aufwärts und wir gehen sie, während ich Flo um einen Schluck Sprit aus seiner Flasche bitte (irgendwie habe ich diese Limo schon viele Jahre nicht mehr angerührt, liebe sie hier aber). Ein wenig verwegen und wild fühlt es sich an, ist aber weniger dramatisch als es im ersten Moment scheint.
Nun gibt es aber kein zurück. Wir müssen irgendwann in die Tunnel hinein. Zuerst versuchen wir alle Tunnel zu laufen, um schneller hindurchzukommen, müssen dies aber im späteren Verlauf aufgeben. Wir bleiben nun zusammen, ich bin Schlussmann, wir laufen gegen den Verkehr und warten in den kurzen, unbeleuchteten Tunnel, die oft um Kurven führen, bis ein Auto vorbeigefahren ist, damit es nicht überrascht ist. Erstaunlicherweise begegnen uns bis Limone praktisch keine Autos und wir können teilweise völlig unbehelligt durch die Tunnels laufen und sie auch genießen – verrückt. Der längst erstreckt sich über 3 km und ist mit verschiedenen Abfahrten in andere Tunnels versehen. Wir beginnen zu singen und überlegen uns passende Songs: Highway to Hell und Stairway to Heaven sind meine Vorschläge.
Das wir uns mit der Entfernung nach Limone verschätzt haben, ist schon in Ordnung, weil dies zur Folge hat, dass Limone-Riva kürzer ausfällt. Ist für den Kopf auch einfacher, der schon lange Kilometer zählt. Zweimal werden wir von Carabiniere passiert, aber nicht angesprochen. Es scheint sie also nicht zu wundern oder zu interessieren. Gut so. Das ganze Projekt ihnen zu erklären, hätte sie vielleicht nur ins Grübeln gebracht und wir hätten einen Drogentest oder ähnliches ablegen müssen.
Die Tunnel kommen und gehen und wir gehen nur noch. Endgültig und ohne Ausnahme. Hansi wirkt nun auch angeschlagen, aber wir sprechen wieder mehr miteinander. Mareike hat uns einen brauchbaren Parkplatz in Limone als Depot ausgesucht. Den wir gegen 5 Uhr erreichen. Keine Autofahrer da, nur ein einsamer Rennradfahrer, der sich wundert, was wir hier treiben (oder wir uns wundern, was er zu dieser Zeit treibt). Auf Flo´s Wunsch hin legen wir uns ein paar Minuten hin und dösen. Einschlafen können wir hier nicht, aber uns ausruhen. Nach ein paar Minuten dränge ich zum Aufbruch, weil es kalt wird und wir noch gut 10 Kilometer vor uns haben. Während Hansi und ich schon wieder abmarschbereit sind und alles vorbereitet haben. rührt sich erst Flo und beginnt sich vorzubereiten. Ich werde ungeduldig. Will das ganze bis kurz nach 7 hinter mich gebracht haben. Hansi macht sich mehr um eine mögliche Zunahme des Verkehrs Sorgen. Auf, auf lieber Flo, die Reise geht weiter.
Wir können nun durch Limone streifen und den neuen Radweg, welcher direkt am Hang in der Luft gebaut wurde nehmen. Wahnsinn!!! Dieser Abschnitt ist genial. Die Lichter, das Wasser – ja, es hat sich gelohnt. Bald darauf folgt im Grunde nur ein einziger langer Tunnel bis Riva. Der Verkehr ist dichter geworden und wir wandern kilometerweit auf einem kleinen Sims, schlängeln uns um die Metallpfosten und ernten komische Blicke. Auf der Straße können wir nicht mehr gehen, zu riskant.
Wir werden erst direkt am Ortsbeginn von Riva aus diesem Bauwerk entlassen. Die Sonne ist aufgegangen. Das Kunstlicht verschwunden.
Wir drei umarmen uns, bedanken uns für die gemeinsame Zeit, die nicht einfach war, aber wir haben zusammengehalten und es geschafft.
Wir suchen kurz nach 7 ein Restaurant, welches uns Weizen verkauft und rufen meine liebe Mareike an, damit sie uns abholt. Gut, ich klingele sie aus dem Bett und sie zieht nur einen Pullover und eine Jogginghose an, um dann so aus dem Haus zu gehen. Nicht die feine englische Art, aber vielen lieben Dank, dass du uns nicht dort stehen gelassen hast!

Den restlichen Sonntag verbringen wir nur mit Schlafen, Wein trinken, Essen, wieder schlafen und noch mehr Wein. Danke, Danke, Danke

Euer Thorsten

Danke euch Allen für diese wunderbare Zeit!!!

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